Brüssel Polen dürfen weiter Kohle verfeuern

Brüssel · Die EU setzt sich feste Klimaziele bis 2030. Um den Kompromiss musste hart gerungen werden - London und Warschau stellten sich quer.

Euphorie hört sich anders an. Sie sei "recht zufrieden", sagte Angela Merkel in der Nacht, als sich der EU-Gipfel auf die Eckpunkte der europäischen Klimapolitik bis 2030 geeinigt hatte. Auf der Weltklimakonferenz Ende 2015 in Paris, wo ein globales Abkommen zur Begrenzung der Erderwärmung angestrebt wird, ist die EU nach Ansicht der Kanzlerin nun verhandlungsfähig und "ein entscheidender Partner".

Umweltorganisationen wie der WWF geißelten den Beschluss dagegen unisono als Rückschlag. "Fatalerweise gelang es den Staats- und Regierungschefs, die schon geringen Erwartungen noch einmal zu unterbieten", sagte die WWF-Expertin Regine Günther. Das liegt daran, dass - um überhaupt eine Einigung zu erzielen - "sehr viele Brücken gebaut werden mussten", wie der Sprecher des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy sagte.

Zentrale Zusage ist, dass der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 sinken soll. Um das Wort "mindestens" wurde lange gerungen, um noch Spielraum nach oben zu haben, da 40 Prozent von vielen Experten als unzureichend angesehen werden.

Hauptinstrument zur Erreichung des Ziels bleibt der Emissionshandel - Unternehmen kaufen Emissions-Zertifikate, die sie zum Ausstoß einer bestimmten Menge CO2 berechtigen. Unter anderem auf deutschen Druck hin bleibt es möglich, energieintensive Anlagen auszunehmen, "solange in anderen führenden Wirtschaftsnationen keine vergleichbaren Anstrengungen unternommen werden", wie es nun heißt. Das soll Verlagerungen ins Ausland wegen zu hoher Energiepreise verhindern. Der Wirtschaft reicht das nicht. Merkel & Co. hätten, wie der Dachverband Business Europe mitteilte, "nicht die Stärke gehabt, die Klimapolitik an der Wettbewerbsfähigkeit auszurichten".

Ein polnischer EU-Diplomat, der sich für die Verhandlungen eigens Manschettenknöpfe aus Kohle hatte anfertigen lassen, zeigte sich zufrieden mit den Ausnahmen für die Kohlekraftwerke des Landes. Erst die weitgehende Zusage, dass Mitgliedstaaten mit einer Pro-Kopf- Wirtschaftsleistung von weniger als 60 Prozent des europäischen Durchschnitts 40 Prozent der Verschmutzungsrechte umsonst an ihre Betriebe ausgeben dürfen, löste die Warschauer Blockade und machte den Deal möglich.

Dazu gehört auch, dass zwei Prozent aller CO2-Zertifikate für diese ärmeren Länder zurückgehalten werden - im Gegenzug verpflichten sich diese immerhin dazu, Einnahmen aus dem Emissionshandel in die "Modernisierung des Energiesektors" zu investieren und nicht einfach nur so in den Haushalt zu übernehmen.

Im Gegensatz zum CO2-Reduktionsziel, das nun auf verpflichtende nationale Unterziele heruntergebrochen wird, erfolgt dies bei den erneuerbaren Energien nach 2020 nicht mehr. Dann wird es nur noch ein auf europäischer Ebene verbindliches Ziel geben, den Anteil von Sonnenenergie, Windkraft und Biomasse am Gesamtenergieverbrauch auf 27 Prozent zu erhöhen. Dies soll nun lediglich damit erreicht werden, dass "nationale Pläne zu erneuerbaren Energien" in Brüssel vorgelegt werden - gleichzeitig legte der Gipfel fest, dass es keine Vorgaben für den Energiemix eines Landes geben darf.

Die Höhe der angestrebten Energieeinsparungen war quasi in letzter Minute noch gesenkt worden. Das Europaparlament hatte ein Ziel von 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 gefordert, die EU-Kommission Ende Januar schließlich 30 Prozent vorgeschlagen. Erst am Tag des Gipfels schließlich verweigerte EU-Diplomaten zufolge der britische Premierminister David Cameron die Zustimmung zu dem ohnehin nur als Richtwert vorgesehenen Ziel - es wurden am Ende "mindestens" 27 Prozent mit der Ansage, im Jahr 2020 noch einmal zu prüfen, ob es nicht doch 30 sein sollten.

(RP)
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