Philipp Amthor (cdu) Und Mahmut Özdemir (spd) Politik ohne Kuhhandel - Visionen der Jungen

Ein Gespräch über die Umsetzung von Wahlversprechen "in Reinkultur" und die Notwendigkeit, das Politiker-Image zu verbessern.

Berlin Wir haben die beiden jüngsten Abgeordneten von CDU und SPD auf neutralem Boden im Bundestag getroffen. Über Träume, Ärger und Ziele zweier Männer, die vielleicht Koalitionspartner werden.

Herr Amthor, Herr Özdemir, Sie sind die Zukunft. Wovon träumen Sie?

Amthor Ich träume nicht zu allererst von einer guten Zukunft für die Partei, sondern von einer guten Zukunft für das Land. Ich bin mit Leib und Seele CDU-Politiker, bin aber nicht Abgeordneter geworden, um nur die CDU voranzubringen.

Özdemir Ich träume davon, dass wir das tun, was Willy Brandt gesagt hat, nämlich dass wir die Antworten auf die Fragen unserer Zeit finden. Und dass wir einen neuen Gesellschaftsvertrag abschließen mit allen Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, ob aus Gründen von Flucht und Vertreibung oder aus Hoffnung auf ein besseres Leben.

Jetzt sind wir schon ganz schön parteipolitisch. Was erträumen Sie sich persönlich von Ihrer Arbeit?

Özdemir Die persönlichen Ambitionen muss man immer zurückstellen. Das Amt kommt zur Person, und zwar erst, wenn man anständige Arbeit gemacht hat und die nötige Reife und Würde mitbringt. Kommt Zeit kommt Rat.

Amthor Ich hoffe, dass die Menschen in meinem Wahlkreis am Ende der Legislaturperiode sagen werden, der Philipp Amthor hat gute Arbeit gemacht. Und, ich glaube das eint uns beide, Du sagst ja auch, das Image von Politikern muss besser werden. Die üblichen Vorurteile sind, Politiker sind faul und kümmern sich nur um sich selbst.

Sie duzen sich?

Özdemir Damit hat Herr Amthor einfach angefangen, obwohl ich der Ältere bin und es hätte anbieten müssen. Aber ich gewähre es. Okay, Spaß beiseite.

Amthor Das genossenschaftliche Du!

Özdemir Auch in einer Koalition müssen wir Versprechen aus dem Wahlkampf in Reinkultur umsetzen - und dafür auf anderes verzichten. Diese Art von Demokratie verstehen die Menschen. Sie wollen keinen Kuhhandel, sondern die Umsetzung einer klaren Zusage, die sie schon im Wahlkampf auf dem Marktplatz in Homberg gehört haben.

Amthor Politiker müssen nahbar sein. Ich habe im Wahlkampf meine Handynummer auf die Plakate geschrieben und bin zum Beispiel von einer Frau angerufen worden, die einfach mal testen wollte, ob ich wirklich erreichbar bin.

Özdemir Ich bin im Haustürwahlkampf von einer Frau zu einer Handschriftprobe aufgefordert worden, weil sie auf meinem Flyer zu sehen war. Sie wollte abgleichen, ob wirklich der Bundestagsabgeordnete vor ihr steht. Die Menschen wollen Politiker zum Anfassen haben und Glaubwürdigkeit spüren. Das ist unsere einzige Währung.

Herr Amthor, ginge es nach den Jusos, werden Sie beide nicht in einer Koalition sitzen, richtig oder dämlich?

Amthor Ich finde, die sollten mal aufhören zu jammern. Die SPD hat viel durchgesetzt, den Mindestlohn zum Beispiel, aber gesagt, alles war schlecht. Jetzt sind sie in einem strategischen Dilemma.

Özdemir Auf der anderen Seite musste sich die SPD vor die Kanzlerin stellen, während aus ihrer eigenen Jugendorganisation ihr Rücktritt gefordert wurde.

Amthor Das war eine Einzelmeinung. Wir stehen hinter der Kanzlerin.

Özdemir Ich nehme wohlwollend zur Kenntnis, dass die Sozialdemokraten nicht die Einzigen sind, die Bundeskanzlerin Merkel verteidigen.

Falls die Groko zustande kommt, muss sie etwas ganz Neues darstellen - was wäre das? Irgendeine Leitidee?

Özdemir Wir brauchen Sicherheit im Arbeitsleben, Sicherheit für die Kommunen und auf der Straße. Wenn man von meiner Generationen erwartet, dass wir ein Haus bauen und Kinder zeugen, dann muss man uns auch Sicherheit geben und keine befristeten Arbeitsplätze. Wir müssen in die Bildung investieren, und dann darf die Schule heute nicht genauso aussehen wie zu dem Zeitpunkt, als ich sie verlassen habe. Wünschen wir uns einen Staat, der sagt, ich habe gerade keinen Streifenwagen frei oder einen Staat, der auch mal mit dem Schlagstock vorbeikommt und den Rechtsstaat durchsetzt? Ich sage letzteres, aber dafür brauchen wir mehr Polizisten.

Amthor Die Sicherheitsbeschreibung war eine sehr gute, aber die Mängelliste war vielleicht auch eine Zustandsbeschreibung von NRW, wo die SPD bis Mai regiert hat. Deswegen ist es gut, dass jetzt meine CDU mit Herrn Laschet dort regiert.

Özdemir Die Einstellungen bei der Landespolizei sind von 2005 bis 2009 konsequent gedrückt worden, da hat Schwarz-Gelb regiert.

Warum kranken Ihre Parteien an Frauenmangel?

Özdemir In Duisburg haben wir zwei Bundestagswahlkreise und da sind wir als Sozialdemokraten paritätisch besetzt.

Amthor Regional kann es an Vorpommern auch nicht liegen. Wir sind in dem Teil auch paritätisch besetzt. Es gibt zwei Abgeordnete: Angela Merkel und mich. Wir haben das dort gut abgebildet.

Haben Sie Bedenken, dass Sie bei einer Neuwahl Ihre persönlichen Erfolge bei der Wahl im September nicht wiederholen könnten?

Amthor Ich habe keine Angst vor der Neuwahl und ich gehe auch davon aus, dass ich wieder direkt gewählt werden würde. Aber eine Neuwahl wäre nicht gut für das Land. Es könnte zu einer sozialen Spaltung kommen, wenn eine Regierungsbildung so lange dauert. Die Leute fragen sich, wie es weiter geht mit Sozialprojekten, die 2017 ausgelaufen sind und unter der Maßgabe der vorläufigen Haushaltsführung nicht fortgesetzt werden.

Özdemir In den Verhandlungen mit der SPD wird es um Inhalte wie Sicherheit in der Rente, Sicherheit im Arbeitsleben, Sicherheit für kommunale Finanzen gehen und nicht darum, Frau Merkel und Herrn de Maizière (Bundesinnenminister) den Dienstwagen oder das Ministerium zu sichern. Wenn die Union unsere Inhalte unterschreibt, dann geht es wirklich ums Land.

Wenn es zur Groko kommt, was würden Sie sich gegenseitig versprechen?

Özdemir Ich verspreche dem Kollegen Fairness, Ehrlichkeit und Offenheit. Und wenn eine Ansage von mir kommt, dann von vorne ins Gesicht und niemals von hinten.

Amthor Das kann ich teilen. Und wir sollten uns versprechen, gemeinsame Erfolge nicht zu zerreden.

JAN DREBES UND KRISTINA DUNZ FÜHRTEN DAS GESPRÄCH

(kd / jd)
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