Stichwort: Ultraorthodoxe Juden in Israel Politischer Einfluss über Zahlen hinaus

Tel Aviv (dpa). Ultraorthodoxe Juden, oft schon durch ihre ungewöhnliche Kleidung erkennbar, stellen gegenwärtig mit rund 300.000 zwar nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung Israels. Doch sind sie mit insgesamt 22 Abgeordneten im Parlament vertreten, das sind etwa 19 Prozent aller 120 Knesset-Abgeordneten. Dies hat ihnen in den vergangenen vier Jahren zu politischen Einfluss verholfen, der weit über die reinen Zahlen hinaus geht.

Israels Ultraorthodoxe können grob in zwei Gruppen eingeteilt werden. Die Gruppen der Aschkenasi-Juden, repräsentiert durch die fünf Abgeordneten der Block-Partei "Vereinigtes Thorah-Judentum", und die sephardischen Ultraorthodoxen, vertreten durch 17 Parlamentarier der Schas-Partei. Als Sepharden werden orientalische Juden bezeichnet und jene, die sich nach der Vertreibung der Juden aus Spanien in anderen Mittelmeer und Schwarzmeer-Staaten ansiedelten. Aschkenasen sind die aus Mittel- und Osteuropa stammenden Juden.

Äußeres Merkmal der Ultraorthodoxen ist ihre Kleidung. Männer tragen schwarze Anzüge und Hüte, einige Gruppen der Aschkenasi-Juden (Chassiden) auch die mittelalterlichen Kniebundhosen und die langen Schläfenlocken. Frauen müssen lange Röcke tragen und dürfen nur mit Kopfbedeckung (Perücken, Kopftüchern) in die Öffentlichkeit. Da sich Sepharden und Aschkenasen über viele Jahrhunderte unabhängig voneinander entwickelten, unterscheiden sich sowohl ihre Glaubensregeln, als auch ihre Gebräuche deutlich voneinander. Was für einen orthodoxen Sepharden "koscher" ist, mag für einen Aschkenasen "unrein" sein.

Die große Mehrheit ultraorthodoxer Männer arbeitet nicht, sondern betet oder studiert religiöse Bücher. Junge Männer und Frauen müssen nicht zur Armee wie die übrigen Israelis. Finanziell sind die großen Familien mit bis zu 16 Kindern und mehr deshalb von Sozialhilfe abhängig. Die ultraorthodoxen Stadtteile Jerusalems und Tel Avivs gehören zu den großen Armenvierteln Israels. Wie das biblische Arbeitsverbot am Sabbat wollen die Ultraorthodoxen auch alle anderen jüdischen Religionsgesetze in Israel durchsetzen, notfalls mit Gewalt.

(RPO Archiv)
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