Berlin Praxisgebühr soll schon 2013 entfallen

Berlin · Einen Tag vor dem Spitzentreffen der Koalition sind Union und FDP zuversichtlich: Das Betreuungsgeld und ein Rentenzuschuss kommen.

Die schwarz-gelbe Koalition will bei ihrem Spitzentreffen am Sonntag im Kanzleramt zentrale Streitthemen wie die Einführung eines Betreuungsgeldes für Eltern von Kleinkindern sowie die Abschaffung der Praxisgebühr beschließen. Nach Informationen unserer Zeitung aus Koalitionskreisen haben sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU), FDP-Chef Philipp Rösler, CSU-Chef Horst Seehofer und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in mehreren Vorgesprächen weitgehend auf diesen Kompromiss verständigt. Die Praxisgebühr könnte schon zum 1. Januar 2013 fallen, das Betreuungsgeld kommt erst im April.

Im Gespräch ist trotz schriller Misstöne im Vorfeld des Treffens, dass sich Union und FDP morgen darauf einigen, dass der Bundesetat bereits 2014 "strukturell" ausgeglichen sein soll (also ohne konjunkturelle Effekte und Einmalzahlungen an den Euro-Rettungsschirm). Finanzminister Schäuble bezifferte das notwendige Einsparvolumen im Gespräch mit unserer Zeitung auf "bis zu drei Prozent" des Haushaltsvolumens. Das sind rund neun Milliarden Euro. "Das ist ambitioniert, aber machbar", sagte Schäuble.

Trotz des Sparkurses zeichnet sich ab, dass das umstrittene Betreuungsgeld von 150 Euro pro Monat für Eltern von Kleinkindern, die nicht in staatlichen Einrichtungen betreut werden, beschlossen wird. Die CSU hatte dies gefordert, das Kabinett bereits einen Gesetzentwurf verabschiedet. Die Kosten belaufen sich ab 2014 auf 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Strittig ist, ob die Leistung mit Zuschüssen für Eltern verbunden wird, die das Geld in eine private Rentenvorsorge oder in ein Bildungskonto einzahlen.

Die FDP dürfte sich mit ihrer Forderung durchsetzen, die 2004 von Rot-Grün eingeführte Praxisgebühr abzuschaffen. Die Patienten sollen so um zwei Milliarden Euro entlastet werden. Die Gebühr von zehn Euro beim ersten Arztbesuch im Quartal war eingeführt worden, um die Zahl der Arztbesuche zu reduzieren. Dies ist aber kaum geschehen. Angesichts der Milliardenüberschüsse bei den Kassen ist eine Entlastung möglich. Die Union will indes lieber die Krankenkassenbeiträge um 0,3 Prozentpunkte absenken. Zusammen mit der beschlossenen Reduzierung der Rentenbeiträge um 0,7 Prozentpunkte könnten Arbeitnehmer so um knapp zehn Milliarden Euro entlastet werden.

Auch ein Kompromiss bei der umstrittenen Rentenreform erscheint möglich. Die CDU will Geringverdienern einen Zuschlag auf die Rente zahlen. Diese sollen aber nicht aus Beitragsmitteln der Rentenversicherung, sondern aus Steuern finanziert werden. Die Bezieher dieser "Lebensleistungsrente" sollen auch ihre private Altersvorsorge behalten können. Auf Widerstand im Finanzministerium stößt die von der CSU gewünschte eine Milliarde Euro zusätzlich für die Verkehrsinfrastruktur. Das gilt auch für eine Abschaffung der Luftverkehrssteuer, die Verkehrspolitiker fordern.

Schäuble selbst wird beim Treffen fehlen, weil er zu dem Gipfeltreffen der Finanzminister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) in Mexiko erwartet wird. Das sei aber kein schlechtes Omen für den Steuerzahler, sagte Schäuble. "Es wird nichts Finanzwirksames beschlossen, das nicht vorher mit dem Finanzminister abgestimmt ist." Die SPD kritisierte den Koalitionsausschuss als "Kehraus auf Kosten der Steuerzahler". Merkel wolle nur "Wahlgeschenke" verteilen, sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann.

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(RP)
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