Düsseldorf Provinzbürger sorgen für Überraschung

Düsseldorf · Der "dritte Mann" - so nennen die Franzosen einen Kandidaten, der es schafft, aus der zweiten Reihe überraschend in eine Stichwahl vorzustoßen. Genau das ist François Fillon bei der Urwahl der französischen Konservativen gelungen. Zwar hatten die Demoskopen in den letzten Tagen vor dem Urnengang eine Aufholjagd Fillons gegenüber den Favoriten Alain Juppé und Nicolas Sarkozy registriert, aber selbst ihre optimistischsten Prognosen lagen immer noch um fast 15 Prozentpunkte unter dem Endergebnis. Wie konnte es dazu kommen?

Mehrere Phänomene können die krachende Niederlage Sarkozys und das enttäuschende Ergebnis des seit Monaten hochfavorisierten Juppé erklären. Selbst im konservativen Lager gab es offensichtlich eine ausgeprägte Anti-Sarkozy-Stimmung. So ging es nach einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Harris 42 Prozent der Wähler bei ihrer Stimmabgabe vor allem darum, "Sarkozy zu verhindern". Nur 23 Prozent wollten den 2012 abgewählten Ex-Präsidenten erneut als Kandidaten für den Elysée-Palast sehen.

Zwar erreichte Sarkozy unter den Mitgliedern und Sympathisanten der konservativen Partei Les Républicains eine sehr hohe Zustimmungsquote von 68 Prozent. Insgesamt stellten diese aber nur etwas weniger als die Hälfte der Wahlbeteiligten, denn die Abstimmung stand prinzipiell allen Franzosen offen. So bezeichneten sich 14 Prozent als traditionelle Linkswähler, und weitere 16 Prozent gaben an, keine feste parteipolitische Bindung zu haben. Diese insgesamt 30 Prozent dürften ganz überwiegend gegen Sarkozy gestimmt haben. Dass sich auch neun Prozent Sympathisanten des rechtsextremen Front National an der Abstimmung beteiligten, um deren Stimmen Sarkozy ganz offen geworben hatte, konnte das Blatt für ihn nicht mehr wenden.

Zur Überraschung vieler Beobachter war es dann aber nicht Alain Juppé, der sich als gemäßigte Alternative zum scharf rechten Sarkozy präsentiert hatte, sondern Fillon, der von dieser Stimmung profitierte. Während sowohl Sarkozy als auch Juppé sich im Grunde schon für die eigentliche Präsidentenwahl im kommenden Jahr positionierten, konzentrierte sich Fillon darauf, das Lebensgefühl jenes Milieus anzusprechen, aus dem er selber stammt: das traditionelle, katholische und provinzielle Frankreich. Von der soziologischen Struktur her vor allem Rentner (47 Prozent seiner Wähler waren älter als 65) und Männer (63 Prozent).

Dieses Frankreich stellt eine schweigende Mehrheit, die nur zu Beginn der Amtszeit des Sozialisten François Hollande in Massen auf die Straßen gegangen war, um - vergeblich - gegen das Adoptionsrecht für Homosexuelle zu protestieren. In Fillon, einem strikt konservativen, aber nicht reaktionären Politiker, hat es seinen Kandidaten gefunden.

(RP)
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