Schleswig-Holstein und Niedersachsen Festnahmen bei Razzien — Bezug zu Paris-Attentätern

Düsseldorf · Bei einer Razzia gegen Terrorverdächtige in Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind drei Personen festgenommen worden. Sie sollen Bezüge zu den Pariser Attentätern haben, teilte Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit.

SEK bis GSG9: Die deutschen Spezialeinheiten
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Foto: dpa, cch fdt
  • Polizisten von BKA, Landespolizei und der Spezialeinheit GSG9 durchsuchten am frühen Dienstagmorgen sechs Flüchtlingseinrichtungen
  • Drei Personen wurden festgenommen
  • 200 Polizisten waren im Einsatz
  • Die Razzien fanden in Niedersachsen und Schleswig-Holstein im Auftrag der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe statt
  • Einer der drei festgenommenen Männer ist am Nachmittag beim Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe vorgeführt worden

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurden die Verdächtigen in Ahrensburg und Großhansdorf östlich von Hamburg sowie in Reinfeld nahe Lübeck festgenommen, wo sie in kommunalen Flüchtlingsunterkünften gelebt haben sollen. Die Bundesanwaltschaft äußerte sich zu den Orten zunächst nicht.

Einer der drei am Dienstagmorgen wegen Terrorverdachts festgenommenen Syrer ist am Dienstagnachmittag beim Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe vorgeführt worden. Die Bundesanwaltschaft wirft den Männern vor, im Auftrag der Terrororganisation nach Deutschland gekommen zu sein.

Die beiden anderen Verdächtigen sollen am Mittwochmorgen gehört werden. Ein BGH-Ermittlungsrichter entscheidet, ob die Haftbefehle aufrechterhalten bleiben. Ist dies der Fall, kommen die Verdächtigen in Untersuchungshaft.

Bei den Festgenommenen handelt es sich um den 17-jährigen Mahir Al-H., den 18-jährigen Mohamed A. und den 26-jährigen Ibrahim M., teilte die Bundesanwaltschaft am Dienstagmorgen mit. Alle drei besitzen syrische Ausweise und wurden in Schleswig-Holstein festgenommen. Ob sie wirklich aus Syrien stammen und ob ihr Alter stimmt, sei noch nicht geklärt. Wie aus dem Schreiben der Bundesanwaltschaft hervorgeht, wurde gegen die drei jungen Männer bereits am 7. September vom Bundesgerichtshof ein Haftbefehl erlassen.

Die Männer seien "dringen verdächtig, im Auftrag der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) im November 2015 nach Deutschland gekommen zu sein, um entweder einen bereits erhaltenen Auftrag auszuführen oder sich für weitere Instruktionen bereitzuhalten", heißt es in der Mitteilung der Bundesanwaltschaft. Daher wird den drei Festgenommenen die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen.

Es gebe Bezüge zwischen den Festgenommenen und den Attentätern von Paris, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière auf einer Pressekonferenz. "Alles spricht dafür, dass sie über die selbe Schlepperorganisation wie die Attentäter von Paris nach Deutschland gekommen sind", sagte de Maizière. Außerdem seien die Reisedokumente der drei in der gleichen Werkstatt hergestellt worden wie die der Paris-Attentäter.

Mahir Al-H. soll sich spätestens Ende September 2015 in Rakka dem IS angeschlossen und eine kurze Ausbildung erhalten haben, die auch die Einweisung in den Umgang mit Waffen und Sprengstoff umfasst haben soll, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Im Oktober 2015 soll sich Mahir Al-H. gemeinsam mit Mohamed A. und Ibrahim M. gegenüber einem für Operationen und Anschläge außerhalb des IS-Gebiets zuständigen Funktionär verpflichtet haben, zusammen nach Europa zu reisen. Sie sollten entweder einen bereits erhaltenen Auftrag ausführen oder auf weitere Anweisungen durch den IS warten.

Für die Ausführung der Pläne sollen die Verdächtigen vom IS Pässe, höhere vierstellige Geldbeträge in amerikanischer Währung sowie Mobiltelefone mit vorinstalliertem Kommunikationsprogramm erhalten haben. Über die Türkei und Griechenland seien die Beschuldigten nach Deutschland gekommen.

Das BKA habe schon mehrere Monate gegen die Männer ermittelt. Die Hinweise auf die Verdächtigen sollen vom Bundesamt für Verfassungsschutz sowie aus anderen Staaten gekommen sein. Daraufhin soll die Ermittlungsgruppe "EG Galaxy" gegründet worden sein, die unter anderem die Telefone der Verdächtigen abhörte, berichtete die "Welt".

Im Rahmen dieser Ermittlungen habe die Bundesanwaltschaft die Durchsuchung von sechs Objekten in den beiden Bundesländern angeordnet. Es sei umfangreiches Beweismaterial in den Wohnungen der Festgenommenen sichergestellt worden — unter anderem Datenträger und Dokumente.

Der Bundesinnenminister sagte, von den Festgenommenen sei seit den Ermittlungen nie eine terroristische Gefahr ausgegangen, da sie persönlich observiert worden seien. Beim Zugriff sei es nur um den Zeitpunkt gegangen, damit ein Haftbefehl auch trage, sagte de Maizière.

Konkrete Anschlagspläne der Verdächtigen konnten bislang durch die Ermittlungen nicht festgestellt werden, sagte der Bundesinnenminister. Die Festgenommenen werden dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt.

"Seit den Attentaten in Paris und Brüssel wissen wir, dass der IS auch den Flüchtlingsstrom nutzt, um terroristische Personen nach Europa zu bringen", sagte eine Sprecherin des BKA unserer Redaktion. 400 Hinweise auf solche Personen, die Kontakte zur terroristischen Szene haben könnten, lägen den deutschen Behörden derzeit vor. Die meisten würden sich als falsch erweisen, in etwa 60 Fällen seien jedoch inzwischen Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. "Wir dürfen nicht alle Flüchtlinge verdächtigen, aber es gibt Hinweise, dass es unter ihnen auch Terroristen oder welche, die mit Terrorgruppen sympathisieren, gibt", sagte de Maizière.

Die Bundesbehörden würden allen Nachweisen nachgehen, "um jedwede Anschlagsplanungen frühzeitig zu unterbrechen". Der IS habe es darauf angelegt, solche Leute wie die Festgenommenen unter die Flüchtlinge zu mischen, um zu verunsichern. Die Sicherheitslage in Deutschland sei nach wie vor ernst.

Dazu, wie sich die Festgenommenen in Europa registrieren ließen, machte der Bundesinnenminister keine Aussage. Dass zwei der drei Männer bei der Einreise Minderjährige waren, beunruhigte de Maizière nicht. Das spiele bei der Gefahrenabwehr für die Behörden keine Rolle.

(rent)
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