Istanbul Erdogan attackiert deutsche Medien

Istanbul · Die türkische Regierung sieht sich selbst als Verschwörungsopfer und droht mit Gegenmaßnahmen.

Die türkische Regierung nimmt bei ihren Beschwerden über angebliche Verschwörungen gegen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan jetzt ausländische Medien und besonders die deutsche Presse ins Visier. Erdogan-Berater Yigit Bulut drohte einem "Teil der deutschen Medien", sie würden bald erfahren, dass es niemandem zustehe, den türkischen Staat und Erdogan "schamlos zu attackieren". Bulut meint vor allem "Bild" und "Spiegel". Die Angriffe sind Teil der Bemühungen der Erdogan-Regierung, sich selbst als Opfer eines großen Komplotts zu präsentieren.

Der 42-jährige Bulut ist seit 2013 wirtschaftspolitischer Berater Erdogans und vertritt die These, dass die Türkei als aufsteigende Macht bald in einer neuen Weltordnung eine wichtige Rolle spielen wird, während Europa immer mehr an Bedeutung verliert. Mehrmals hat Bulut öffentlich für eine Abkehr der Türkei von der EU geworben. Zudem ist er für Verschwörungstheorien bekannt. So behauptete er, ausländische Kräfte wollten Erdogan durch Gedankenübertragung töten.

Gestern forderte Bulut eine Untersuchung "organischer Verbindungen" zwischen deutschen und türkischen Medien. Damit meinte er die Zusammenarbeit zwischen dem Springer-Verlag und dem türkischen Medienkonzern Dogan, der in den vergangenen Jahren mehrmals den Zorn Erdogans auf sich gezogen hatte. "Bild" hatte die Erdogan-Regierung vor dem kürzlichen Köln-Besuch Erdogans mit einem offenen Brief in türkischer Sprache verärgert, in dem der Premier als in Deutschland "nicht willkommen" bezeichnet wurde.

In Köln kritisierte Erdogan den "Spiegel", weil in einer Überschrift ein Bergmann nach dem Unglück von Soma mit dem Satz zitiert wurde: "Scher dich zum Teufel, Erdogan." Der Korrespondent des Magazins war kurz darauf wegen Morddrohungen vorübergehend aus der Türkei abgezogen worden. Auch der US-Fernsehsender CNN ist zur Zielscheibe von Regierungskritik geworden. CNN-Reporter Ivan Watson wurde am Samstag in Istanbul am Rande neuer Proteste um den Gezi-Park mitten in einer Live-Sendung von Polizisten abgeführt. Auch die BBC wird häufig von der Regierung angegriffen; Erdogan warf dem türkischen BBC-Dienst vor, nach dem Unglück von Soma die Aussagen von Bewohnern der Stadt manipuliert zu haben.

Die Erdogan-treue Tageszeitung "Takvim" druckte am Sonntag eine Liste angeblich regierungsfeindlicher ausländischer Medien, in der unter anderem "Bild", "Spiegel", CNN und die BBC auftauchten. Diese Auslandsmedien werden ebenso wie kritische inländische Medien von Erdogan und seinen Anhängern als Werkzeuge von Feinden der Türkei dargestellt. Sie wollten das Land schwächen.

(RP)
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