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Istanbul Erdogan erklärt seinen Gegnern den Krieg

Istanbul · Nach der gewonnenen Kommunalwahl zeigt sich der türkische Premier als Scharfmacher. Die Opposition scheint hilflos.

Die vier wichtigsten Parteien und ihre Vertreter
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Der Auftritt des Siegers war eine einzige Kampfansage. Als der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in der Nacht zu gestern auf den Balkon der AKP-Parteizentrale in Ankara trat, um nach der gewonnenen Kommunalwahl seine Siegesrede zu halten, war seine Botschaft schon klar, bevor er auch nur ein Wort gesprochen hatte. Denn Erdogan hatte Sohn Bilal an seiner Seite — eben jenen Sohn, mit dem er nach Oppositionsangaben kürzlich besprochen hatte, wie illegal angehäufte Millionensummen der Familie am besten vor der Justiz zu verstecken seien. Die Korruptionsvorwürfe sind durch den Wahlsieg vom Tisch, lautete Erdogans Botschaft. Und: Seine Gegner können sich warm anziehen.

Gezi-Unruhen, Korruptionsskandal, Twitter-Verbot — nichts scheint dem 60-Jährigen und seiner seit 2002 regierenden AKP etwas anhaben zu können. Mit mehr als 45 Prozent der Stimmen legte die AKP im Vergleich zu den Kommunalwahlen von 2009 noch einmal um sechs Prozentpunkte zu. Die Metropolen Istanbul und Ankara blieben in der Hand der Regierungspartei. Wer nun erwartet hatte, dass der Premier angesichts dieser Entwicklung auf seine Kritiker zugehen würde, der sah sich getäuscht. Bei früheren "Balkon-Reden", wie die Siegesansprachen des Ministerpräsidenten genannt werden, hatte er sich als Landesvater präsentiert, der auch diejenigen umarmen wollte, die ihn nicht gewählt hatten. Diesmal war es anders: Nicht der Versöhner trat vor das jubelnde AKP-Fußvolk, sondern der Triumphator, der Scharfmacher, der Wahlkämpfer, der den nächsten Urnengang und das Präsidentenamt fest im Blick hat.

Der Premier habe gesprochen, "als hätte er den Krieg erklärt", schrieb der Kommentator Hasan Cemal nach der Rede im Internetportal T24. Genau das hatte Erdogan getan — ab sofort will er noch rigoroser gegen die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen vorgehen, den er als Drahtzieher der Korruptionsvorwürfe gegen seine Regierung betrachtet.

"Eine osmanische Ohrfeige" hätten die Gegner der Regierung kassiert, rief der Ministerpräsident aus. Seine Widersacher würden Rechenschaft ablegen müssen für ihre angeblichen Untaten: "Bis in ihre hinterletzten Verstecke werden wir sie jagen. Sie werden bezahlen."

Dass die AKP trotz aller Skandale so beliebt ist, hat mehrere Gründe. Einer der wichtigsten ist Erdogan selbst. Der Ministerpräsident gebe den Menschen immer wieder das Gefühl, dass er und die AKP für das einfache Volk da seien, kommentierte die Journalistin Fatos Karahasan bei CNN Türk. Selbst die Oppositionszeitung "Cumhuriyet" musste gestern einräumen, dass die Menschen den Eindruck gewonnen hätten, dass "die Nation, die Armen, die Muslime zum ersten Mal an der Macht sind". Die AKP-Stammwählerschaft steht auch wegen der guten Wirtschaftslage und wegen einiger als Befreiung empfundener Reformen Erdogans, etwa der Abschaffung des Kopftuchverbots im öffentlichen Dienst, fest zum Ministerpräsidenten.

Bei der Wahl soll es Unregelmäßigkeiten gegeben haben, behaupten Erdogan-Kritiker. Schon jetzt ist abzusehen, dass Einzelergebnisse wie das in Ankara vor Gericht verhandelt werden. Doch das Gesamtergebnis dürfte das nicht beeinflussen: Der Premier triumphierte wohl auch deshalb, weil die Opposition in jämmerlichem Zustand ist. Nicht einmal in einer Zeit, in der die Regierung wegen Korruption unter schwerem Beschuss stehe, schaffe es die säkularistische CHP als größte Oppositionspartei, nennenswerte Zugewinne einzufahren, schrieb der Kolumnist Rusen Cakir in der Zeitung "Vatan".

Viel Zeit, sich neu zu formieren, hat die CHP nicht, die nur noch bei knapp 28 Prozent liegt. Mit der Kommunalwahl von Sonntag hat in der Türkei der Präsidentschaftswahlkampf begonnen; gewählt wird am 9. August. Erdogan dürfte sich zur Kandidatur ermuntert sehen.

(RP)
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