Ankara Erdogan ist sein Palast nicht groß genug

Ankara · Gerade erst hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit der Fertigstellung eines prunkvollen neuen Amtssitzes für heftigen Wirbel gesorgt, da droht schon weitere Aufregung. So will Erdogan nach Angaben der Architektenkammer in Ankara den riesigen Komplex mit seinen 1000 Räumen um eine Residenz für sich selbst erweitern - was auf 250 weitere Räume hinauslaufe. Die Debatte um den Palast könnte Erdogan und die regierende AKP politisch teuer zu stehen kommen, sagt ein angesehener Meinungsforscher.

Recep Tayyip Erdogan ist sein Palast nicht groß genug
Foto: afp, AMD

Der auf mehreren hunderttausend Quadratmetern errichtete Präsidentenpalast ist nicht nur wegen der hohen Kosten von rund einer halben Milliarde Euro umstritten, sondern auch, weil er nach Meinung von Kritikern auf einem baurechtlich geschützten Forstgelände steht. Die Opposition argumentiert, das in der Öffentlichkeit als Ak-Saray (Weißer Palast) bekannte Gebäude sei nichts anderes als ein Schwarzbau. Die Erdogan-Gegner im Parlament von Ankara gehen von einer Stromrechnung von 250 000 Euro im Monat aus und stellen die Frage, ob der Palast möglicherweise Strom umsonst bezieht.

Für neue Aufregung sorgt die geplante Residenz für den Präsidenten. Die 1000 Zimmer des eigentlichen Palastes reichten Erdogan wohl noch nicht, kritisierte die Oppositionszeitung "Cumhuriyet". Die Architektenkammer rief Papst Franziskus auf, bei seinem Türkei-Besuch Ende des Monats auf eine Visite im neuen Palast zu verzichten. Erdogan und die Regierung sind damit in der Defensive. Das Präsidialamt sah sich zu der Feststellung genötigt, beim Bau des Palastes sei juristisch alles mit rechten Dingen zugegangen. Hinter den Kulissen herrsche Nervosität, vermutet die regierungskritische Zeitung "Zaman". Erdogan kenne die Stimmungslage der Bevölkerung, weil er diese ständig mit Umfragen messen lasse, schrieb das Blatt. Es sei sicher, dass Erdogan den Bau des Prunk-Palastes inzwischen bereut.

Auch der Meinungsforscher Murat Gezici ist überzeugt, dass der Palast für Erdogan ein Fehler war. Die Regierung habe den Prachtbau als Ausdruck der Vision Erdogans für eine "Neue Türkei" präsentiert, als Symbol eines starken Staates und einer Regionalmacht, sagte Gezici. Selbst auf Briefmarken ist der erst kürzlich fertiggestellte Bau schon verewigt. Doch viele Normalbürger betrachten den Palast laut Gezici als reine Geldverschwendung. Rund 70 Prozent der Wähler kritisierten das Projekt; auch fast jeder zweite AKP-Anhänger sei aufgebracht, denn bei vielen konservativen Muslimen gelte Prunksucht als Sünde.

Ein halbes Jahr vor den Parlamentswahlen im kommenden Sommer droht damit ein Problem für Erdogan. Er strebt einen möglichst hohen Wahlsieg für seine AKP an, um mit einer ausgebauten Parlamentsmehrheit in der Türkei ein Präsidialsystem zu errichten. Doch die Palast-Diskussion, ein gefundenes Fressen für die Opposition, könne die AKP rund vier Prozentpunkte in der Wählergunst kosten.

(RP)
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