Persönlich Recep Tayyip Erdogan . . . will "eine neue Türkei errichten"

Mit Nationalhymne und großem Pomp ließ sich der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan (60) gestern in Ankara vor mehreren Tausenden Anhängern zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei AKP küren, eine Video-Jubelschau feierte Erdogan als Landesvater und Patrioten. Die aufwändige Krönungsmesse in der türkischen Hauptstadt sollte sechs Wochen vor der ersten Direktwahl eines türkischen Staatspräsidenten am 10. August die Macht der AKP und Erdogans demonstrieren - und die Gegenkandidaten das Fürchten lehren.

Auch Erdogan selbst ging gleich in die Vollen. In einer einstündigen Rede nach seiner Nominierung griff er seine politischen Gegner als Handlanger einer "Vormundschaft" durch die Armee an und strich Diskriminierungen gegen fromme Muslime heraus, etwa durch das - von Erdogans Regierung inzwischen abgeschaffte - Kopftuchverbot.

Dennoch wolle er als Präsident für alle Türken da sein, nicht nur für seine eigenen Wähler, unterstrich Erdogan. Er werde den Friedensprozess mit den Kurden vorantreiben sowie die Wirtschaft der Türkei weiter stärken.

Er kündigte aber auch an, weiter gegen angebliche parallele Strukturen im Staatsapparat zu kämpfen, die er für Korruptionsvorwürfe gegen seine Regierung verantwortlich macht. Der Wahltag werde ein Wendepunkt sein: "Wir errichten eine neue Türkei."

Besonders seit den landesweiten Protesten vor einem Jahr ist Erdogan, der als Sohn eines Seemanns aufwuchs, international zunehmend umstritten. Ihm wird vorgeworfen, immer autoritärer zu regieren und regierungskritische Proteste von der Polizei gewaltsam zerschlagen zu lassen. Im April 1998 wurde der in der islamistischen Bewegung verwurzelte Erdogan wegen Missbrauchs der Grundrechte und -freiheiten zu zehn Monaten Gefängnis und lebenslangem Politikverbot verurteilt. Das wurde 2003 aufgehoben - seither ist Erdogan türkischer Regierungschef.

Thomas Seibert

(RP)
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