Analyse Rechts neben Merkel

Schwetzingen/Berlin · An der Basis der Union rumort es. Jetzt wollen die Kritiker des angeblichen Linkskurses von CDU-Chefin Merkel einen neuen bundesweit agierenden Dachverband gründen, den "Freiheitlich-konservativen Aufbruch".

Schauplatz einer epochalen parteiinternen Revolte wird das baden-württembergische Städtchen Schwetzingen morgen wohl nicht werden. Gleichwohl dürfte die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel genau darauf achten, was dort - ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl - vonstatten geht. Denn im "Palais Hirsch" werden sich etwa 70 Vertreter konservativer Kreise aus ganz Deutschland einfinden. Sie wollen das Heft in die Hand nehmen und die Partei zu einer Kurskorrektur veranlassen. Um die Schlagkraft gegen die offizielle, von Merkel vorgegebene Parteilinie zu erhöhen, soll dort am Wochenende ein bundesweit tätiger Dachverband gegründet werden. Schon der Name liest sich wie ein Programm: "Freiheitlich-konservativer Aufbruch in der Union".

Designierter Vorsitzender ist der Baden-Württemberger Alexander Mitsch. Er ist Mitinitiator der Gruppe "Konrads Erben", die einer erneuten Kandidatur von Merkel als Bundeskanzlerin überaus kritisch gegenüber steht. Im Vorstand wird nach Lage der Dinge auch die CDU-Politikerin Simone Baum aus Engelskirchen vertreten sein, die 2015 zu den Initiatoren des "Konservativen Kreises NRW" gehörte.

Stefan Koch, der den konservativen "Düsseldorfer Dialog" leitet und künftig die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen wird, fasst das Anliegen des "Aufbruchs" so zusammen: "Wir haben die große Sorge, dass bisherige Stammwähler der Union politisch heimatlos und zu Nichtwählern werden." Laut Koch muss sich die Union wieder stärker darauf besinnen, dass sie liberale, soziale und eben auch konservative Wurzeln hat. Denn vor allem eines treibt die konservativen Graswurzler um: Der konservative Flügel sei "seit Jahren verkümmert und muss wieder gleichberechtigt" werden.

Zu den Kernforderungen der Konservativen in der Union zählt vor allem eine Wende in der Flüchtlingspolitik. Koch: "Eine Politik der offenen Grenzen lehnen wir ab." Für Flüchtlinge müssten Transitzonen eingerichtet werden, in denen deren Identität überprüft werden solle. Eine Duldung abgelehnter Asylbewerber soll es nicht mehr geben; die doppelte Staatsbürgerschaft gehöre abgeschafft. An die Stelle von "EU-Zentralismus" müsse eine "föderal geprägte EU im Sinne Konrad Adenauers" treten; neue EU-Rettungspakete dürften nicht geschnürt werden, sagt Koch, der auch eine Abkehr vom "Gender-Wahnsinn" fordert.

Es ist vor allem Adenauer, auf den sich die Konservativen in der CDU gern beziehen und dessen 50. Todestag die christliche Partei am 19. April begeht. Den Gründervater der Bundesrepublik feiern aber auch jene Christdemokraten, die den neuen rechten Flügel der Partei eher als Sektierer ansehen. So hält der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers den ersten Bundeskanzler sogar für einen Sozialrevolutionär. Auch für die liberale Merkel ist Adenauer das wichtigste politische Vorbild.

Wer also die wirklichen Erben des bedeutendsten deutschen Nachkriegspolitikers sind, ist längst noch nicht ausgemacht. Klar ist aber, dass nach elf Jahren Merkel (übrigens ähnlich wie damals bei Adenauer) eine gewisse Müdigkeit einsetzt. Neben den Konservativen sind es auch junge Kräfte wie Finanzstaatssekretär Jens Spahn (36) und Carsten Linnemann (39), die mit dem Kurs der Kanzlerin nicht einverstanden sind, sich aber mit Rücksicht auf die anstehenden Wahlkämpfe zurückhalten.

Spahn bereitete Merkel beim jüngsten Parteitag in Essen mit seiner engagierten Rede gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und der anschließenden Abstimmung eine empfindliche Niederlage. Er könnte sich als konservativer Außenseiter an die Spitze einer neuen Strömung in der Partei setzen. Der Wirtschaftsexperte Linnemann, Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung der Union, bedient vor allem die Kräfte, die von Merkels nachgiebiger Finanzpolitik gegenüber den südlichen Euro-Staaten nichts wissen wollen.

Es rumort also in Teilen der Union. Kein Wunder, dass die Parteiführung die Neokonservativen der AfD zuordnen möchte. Den Konservativen ist dieser Einwand geläufig. Sie kontern, dass diese Positionen früher von der Union vertreten worden seien. "Jetzt hat die AfD bei uns abgekupfert." Aber anders als die AfD, die "in Teilen rechtsextrem" sei, stehe die Union zu Europa und zum Euro, betont der konservative Düsseldorfer Aktivist Koch. Er spricht davon, dass der neue Dachverband "mehrere tausend" Mitglieder von CDU und CSU repräsentiere. Auch der renommierte Innenpolitiker Wolfgang Bosbach werde den "Aufbruch unterstützen".

Bosbach, der Mitglied des konservativen "Berliner Kreises" ist, sagte indes, er sei noch nicht angesprochen worden. Er wolle sich weder vereinnahmen lassen, noch sich vom "Aufbruch" distanzieren. Mit dabei ist aber die Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel. Für die CDU habe der Wahlkampf noch nicht begonnen: "Wir befinden uns in der programmatischen Phase." Um so wichtiger sei es, viele Meinungen aus der Partei zu hören. Deshalb freue sie sich über die Beiträge der Konservativen: "Unsere Partei lebt. Wo ist das Problem?" Sie schätze zwar die ruhige Art von Merkel, wünsche aber auch Diskussionen - "oder sollen wir jetzt ein halbes Jahr allem hinterherklatschen?" Pantel will trotz vieler Termine nach Schwetzingen fahren: "Jetzt erst recht."

Der nächste Termin der Konservativen steht schon fest: Der "Berliner Kreis" hat für den 8. April zu einem "bundesweiten Multiplikatorentreffen konservativer Kreise" nach Berlin eingeladen. Zu den Referenten auf der nichtöffentlichen Zusammenkunft gehören die Publizistin Birgit Kelle und der Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung, Roland Tichy.

(RP)
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