Analyse Rechtsextreme unterwandern Pegida

Berlin · Immer mehr Verfassungsschutzämter nehmen die Montagsmarschierer unter die Lupe, deren "Kollegen" in Dresden die Einheitsfeiern störten. Auch der NRW-Ableger wird als "rechtsextremistisch beeinflusst" qualifiziert.

 Teilnehmer eines Pegida-Aufmarschs am 3.Oktober in Dresden.

Teilnehmer eines Pegida-Aufmarschs am 3.Oktober in Dresden.

Foto: dpa, wil tmk

Wenn zum Nationalfeiertag in Dresden die Kanzlerin vor der wiederaufgebauten Frauenkirche als "Volksverräterin" oder "Fotze" angebrüllt, wenn ein dunkelhäutiger Gottesdienstbesucher den Ruf "Bimbo" und Affengeschrei hören muss, dann sind das für die sächsische Polizei ganz normale Meinungsäußerungen besorgter Bürger. Pegida, das in Dresden Ende 2014 entstandene Phänomen angeblich "patriotischer Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", konnte bei den Einheitsfeiern schalten und walten, sogar ein Plakat mit einem Goebbels-Zitat präsentieren, während linke Gegendemonstranten massiv auf Distanz gehalten wurden. Sicherheitsbehörden in anderen Bundesländern gehen anders mit Pegida-Ablegern und -Nachahmern um.

Inzwischen stehen 13 dieser Zusammenschlüsse mit den Gida-Silben als Erkennungszeichen unter der Beobachtung von Verfassungsschutz-Landesämtern. Diese tauschen sich nach Informationen unserer Redaktion auch regelmäßig mit dem Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz aus, auch wenn dieses betont, dass Pegida offiziell nicht Beobachtungsobjekt sei. Wenn freilich einschlägige Neonazis und Rechtsextremisten als Anhänger oder Akteure bei den Pegidisten auftauchen, dann ziehen sie natürlich auch ihre Schatten vom Staat mit in die Szene.

Und dort werden die Verfassungsschützer inzwischen immer häufiger fündig. So hat Bayern die Beobachtung von "Gida"-Gruppen in München, Nürnberg und Würzburg auch auf die Allgida ("Allgäuer gegen die Überfremdung des Abendlandes") in Kempten ausgeweitet. "Es liegen hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen im Phänomenbereich Rechtsextremismus vor", berichtet Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). In Nürnberg wurden die Verbindungen schon dadurch offenkundig, dass das vorübergehend stillgelegte Facebook-Profil von Nügida wieder aktiviert wurde, als Facebook die Präsenz der Partei "Die Rechte" gelöscht hatte. Über Nügida lief dann die Parteipropaganda für "Die Rechte", nachdem Nügida-Symbole bei Demos der "Rechten" aufgetaucht waren. So hält denn der bayerische Verfassungsschutz zusammenfassend fest, dass es sich bei Nügida um eine "Tarnorganisation" der Partei "Die Rechte" handele.

Bei der Münchner Pegida beschränken sich laut Verfassungsschutz Rechtsextremisten mittlerweile nicht mehr auf die bloße Teilnahme. Sie führten inzwischen auch den Zug an, trügen zeitweise auch das Frontplakat mit dem Pegida-Schriftzug, darunter ein bekannter Münchner Neonazi. Manche der dort gezeigten Transparente könnten über den Materialdienst der NPD erworben werden. Mehrmals seien die Ausrufe "frei, sozial und national" zu hören gewesen. Und wenn Pegida dann "am historischen Odeonsplatz vor der Feldherrnhalle" aufmarschiert, freut das Rechtsextremisten, die bewusst mit den Bezügen zum Hitlerputsch 1923 an diesem Ort spielen.

Einschlägige Bezüge erlebte auch die Einheitsfeier in Dresden. So kontrollierte die sächsische Polizei dort intensiv die Länge der Stäbe, auf denen die Plakate befestigt wurden. Dass auf einem ein Zitat von NS-Reichspropagandaminister Joseph Goebbels stand ("Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke..."), nahmen die Polizisten zur Kenntnis und nach Kritik an der Duldung auch zum Anlass für eine Klarstellung: "Eine strafrechtliche Relevanz kann derzeit nicht festgestellt werden."

So können die Gründerväter der Original-Pegida genüsslich auf die wiederholten Unbedenklichkeitsbescheinigungen des sächsischen Verfassungsschutzes verweisen, wonach Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen durch Pegida nicht bestehen. Ja, im Laufe der Zeit hätten sich die Rechtsextremisten, die zeitweise die Nähe zu Pegida gesucht hätten, deutlicher distanziert.

Eine gegenläufige Entwicklung hat der NRW-Verfassungsschutz beobachtet. Hier unterschieden sich anfangs die Bogida in Bonn, die Dügida in Düsseldorf und die Kögida in Köln von der Pegida NRW in Duisburg. Nach Einschätzung des Innenministeriums gab es bei den einen eine erkennbare rechtsextremistische Steuerung unabhängig vom Original in Dresden, bei der anderen indes eine "unmittelbare organisatorische Anbindung an die bundesweit agierende Pegida-Zentrale in Dresden". An innerer Zerstrittenheit und schwindender Attraktivität gingen die Bonner, Kölner und Düsseldorfer Organisationen mehr oder weniger ein. Vor allem in Düsseldorf gab es ein Wiederaufflackern. Doch vergangenen Montag trat nur der "offizielle" Pegida-Ableger in Duisburg in Erscheinung.

Inzwischen qualifizieren die Verfassungsschützer aber auch Pegida in NRW als eindeutig "rechtsextremistisch beeinflusst". Noch im September habe der Zusammenschluss Redner aus dem rechtsextremistischen Spektrum ans Mikrofon gebeten, erläuterte ein Sprecher des Innenministeriums in Düsseldorf.

Wie schon die Anhänger von Bogida Kögida und Dügida mobil sind und einzelne Akteure nach dem Ende regelmäßiger eigener Demonstrationen ankündigten, vermehrt in Duisburg mitzumachen, so finden sich bei den Montags-"Spaziergängen" in Dresden regelmäßig auch "besorgte Bürger" aus anderen Bundesländern, auch NRW, ein, um sich in die Reihen der "Merkel muss weg"-Rufer und der einschlägigen "Volksverräter" und "Lügenpresse"-Slogans einzuschleusen. Längst haben die dortigen Pegida-Anhänger das mutige Bekenntnis der "Wir sind das Volk"-Demonstranten okkupiert, die dafür in der DDR ihr Leben riskierten. Was sie heute mit ihrem Schulterschluss mit Rechtsextremisten riskieren, lässt sich noch nicht absehen.

(may-)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort