Berlin Regierung plant Flüchtlingsausweis

Berlin · Union und SPD wollen heute mit Bund und Ländern im Streit um die Transitzonen den Knoten durchschlagen. Auch Flüchtlingsausweise und der Aufschub des Familiennachzugs sind geplant.

Regierung plant Flüchtlingsausweis
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Frieden scheint in der Union ein dehnbarer Begriff zu sein. Vor dem neuen Spitzentreffen von Bund und Ländern heute in Berlin wurde bekannt, dass CSU-Chef Horst Seehofer seine Pläne einer Verfassungsklage gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung nicht fallenlässt. Im Gegenteil: Der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio wurde von den Bayern beauftragt, eine solche Klage zu prüfen.

In der praktischen Flüchtlingspolitik will die große Koalition heute aber wieder an einem Strang ziehen. "SPD, CDU und CSU werden sicher gemeinsame Vorschläge machen", sagte SPD-Chef Gabriel der "Bild"-Zeitung. Die Kanzlerin gab sich zurückhaltend: "Sollten wir keine Einigkeit erzielen, müssten wir eben weiterverhandeln."

Um 14 Uhr werden zunächst die Parteichefs der Koalition - Angela Merkel für die CDU, Gabriel für die SPD und Seehofer für die CSU - zusammenkommen. Zentrale Frage: Transitzonen, wie die Union sie will, oder Einreisezentren, wie die SPD sie favorisiert? Einig sind sich die Parteichefs, dass die Asylverfahren insbesondere für Menschen ohne Bleibeperspektive erheblich beschleunigt und die Menschen auch rasch abgeschoben werden sollen.

Noch gestern bemühte sich eine kleine Gruppe von Großkoalitionären um einen Kompromiss als Grundlage für die Verhandlungen. Federführend waren in der Union Innenminister Thomas de Maizière, Kanzleramtsminister Peter Altmaier und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, seitens der SPD Justizminister Heiko Maas, Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius.

Bei der SPD hieß es gestern, man werde sich auf Registrierzentren verständigen können, solange es keine Inhaftnahme von Flüchtlingen gebe. Die Sozialdemokraten würden am liebsten die schon bestehenden Erstaufnahmeeinrichtungen dazu umfunktionieren. Als Vorbild gilt das sogenannte Heidelberger Modell. "Schon heute gibt es Erstaufnahmeeinrichtungen, die gemeinsam mit Mitarbeitern des BAMF die Registrierung schnell und effizient gewährleisten", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl unserer Redaktion. Das sei eben in Heidelberg der Fall. Das Modell gelte für die SPD daher als Blaupause für ihre Position und als Basis für die Verhandlungen mit der Union.

Der Union wird dieser Vorschlag nicht weitreichend genug sein. Die Politiker von CDU und CSU suchen vielmehr nach einem Modell, das eine rasche Abschiebung von Asylbewerbern ohne Bleibeperspektive sicherstellt. Daher setzt die Union auf grenznahe Registrierzentren, in denen die Flüchtlinge bis zur Entscheidung verbleiben sollen.

Als Konsens zeichnete sich gestern ab, dass sich Union und SPD sowie Bund und Länder auf einen Flüchtlingsausweis werden einigen können. Die Union hatte in ihrem Papier vom Wochenende vorgeschlagen, in dem Ausweis "die Vielzahl von Registrierungen und Erfassungen" zu bündeln. Der Ausweis soll Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen werden. Auch die SPD ist grundsätzlich für Flüchtlingsausweise. Högl meinte: "Bei den geplanten Ausweisen für Flüchtlinge und bei der besseren Vernetzung der Datenverarbeitung zwischen den Flüchtlingseinrichtungen werden wir Ergebnisse vorweisen können." Von den Sozialdemokraten gibt es zudem Signale, dass sie den Vorstoß der Union für eine zweijährige Aussetzung des Familiennachzugs akzeptieren werden. An diesem Punkt werden aber voraussichtlich die von Grünen mitregierten Länder widersprechen.

Die Verhandlungen heute werden nicht einfach. Zumal die Länder auch noch einmal über das Thema Geld sprechen wollen. "Wenn Zeit ist, müssen wir über die Finanzen sprechen. Wir hatten bei 800.000 Flüchtlingen eine Beteiligung des Bundes an den Kosten von zwei Milliarden Euro, nun werden es deutlich über eine Million Flüchtlinge in diesem Jahr", sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) unserer Redaktion. "Da bedarf es eines schnellen Nachschlags. Es darf nicht sein, dass der Bund seine schwarze Null zulasten der Länder sichert."

(jd / qua)
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