Problem für Putin Reiche Russen denken an Flucht

Moskau · Seit der Annexion der Krim sind Wladimir Putins Umfragewerte in Russland so hoch wie nie. Einer aktuellen Umfrage zufolge liegen Putins Zustimmungswerte derzeit bei 86 Prozent. Doch eine kleine Minderheit wird für den "Zaren" zum Problem: Teile der Wirtschaftselite wollen ihrer Heimat den Rücken kehren. Und das so schnell wie möglich.

 Russlands Wirtschaftselite sieht das Handeln von Wladimir Putin zunehmend kritisch.

Russlands Wirtschaftselite sieht das Handeln von Wladimir Putin zunehmend kritisch.

Foto: afp, kk/MS

Am Dienstag macht die Europäische Union Ernst. Die Gemeinschaft will die Regierung in Moskau mit Wirtschaftssanktionen zum Einlenken zwingen. Vor allem der Zugang russischer Banken zu den internationalen Finanzmärkten soll erschwert werden.

Für Waffen, High-Tech und Spezialmaschinen zur Ölförderung sollen Ausfuhrverbote gelten. Schon am Montagabend wurden Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen Personen beschlossen, die zum engeren Umfeld des russischen Präsidenten gehören.

Neue Vorwürfe gegen Separatisten

Das Ziel der EU: Russland soll gezwungen werden seine Unterstützung für die pro-russischen Rebellen im Osten der Ukraine zu beenden. Der Konflikt war nach dem Abschuss einer Passagiermaschine mit 298 Menschen an Bord erneut eskaliert. Die Separatisten, so der Vorwurf, sollen die Ermittlungen an der Abschussstelle wiederholt behindert haben.

Weitreichende Sanktionen würden Russland Elite hart treffen. Berichten von "Handelszeitung" und "Business Insider" zufolge ärgern sich reiche Russen zunehmend über Putins Auftreten. Viele von Ihnen sollen sogar Ahnenforscher beauftragt haben, Verwandte in anderen europäischen Ländern zu suchen. Ihr Ziel: ein Wechsel der Staatsbürgerschaft.

186.000 Menschen verließen Russland

"Ich fühle mich hier inzwischen wie eine Ausländerin, warum also nicht gehen?", zitiert das Blatt eine Sängerin, die ihr Haus in einem Vorort von Moskau verkaufen und nach Georgien ziehen will. Bereits im vergangenen Jahr waren die Auswanderungszahlen rapide gestiegen. 186.000 Menschen verließen das Land. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 wollten lediglich 34.000 Personen dauerhaft ausreisen.

Aus Angst vor Bestrafungen trauen sich aber nur wenige Wirtschaftsführer den Präsidenten offen kritisieren, glaubt Igor Bunin vom russischen Think Tank Center for Political Technology. "Doch in der Wirtschaftselite herrscht Panik", sagte der Experte der "Handelszeitung" zufolge. Einige Oligarchen hätten Putin aber über Regierungsmitarbeiter ausrichten lassen, dass sie sich zunehmend Sorgen machen.

"In den vergangenen Monaten hatte man den Eindruck, Putin handelt entschlossen und korrekt, und der Rest der Welt wird sich an die Realität gewöhnen, und wir kommen wieder zum gewohnten Geschäftsbetrieb zurück", erklärt auch der Unternehmer Bernard Sucher aus Moskau, der auch im Vorstand der unabhängigen Investmentbank Aton sitzt. "Jetzt reden wir über echte Angst."

Rubel weiter auf Talfahrt

Die Börse reagierten bereits am Dienstag. Dieses Thema Russland drängte die Geschäftszahlen von Firmen wie Deutsche Bank oder BP in den Hintergrund. Dax und EuroStoxx50 notierten jeweils knapp im Minus bei 9591 beziehungsweise 3169 Punkten.

"Bislang hatten die verhängten Sanktionen kaum Einfluss auf die russische Wirtschaft und noch geringere Auswirkungen auf die Konjunktur der Euro-Zone", sagte Aktienhändler Markus Huber vom Brokerhaus Peregrine & Black. Nach dem Absturz des Flugzeugs steige aber der Druck auf die Politik, aggressivere Strafen zu verhängen.

Vor diesem Hintergrund setzte die russische Währung ihre Talfahrt fort. Der Dollar stieg um bis 0,5 Prozent auf ein Drei-Monats-Hoch von 35,7045 Rubel. Die Leitindizes der Moskauer Börse hielten sich dagegen knapp im Plus. Sie hatten am Vortag bereits drei und zwei Prozent nachgegeben.

(csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort