Analyse Von Bismarck bis zur Flexi-Rente

Berlin · Die Deutsche Rentenversicherung feiert heute ihr 125-jähriges Bestehen. Zu Bismarcks Zeiten ging man mit 70 in den Ruhestand - wenn man es bis dahin schaffte. Heute ist der flexible Renteneintritt gefragt.

Vor 125 Jahren war es ein großer Fortschritt, dass Arbeitnehmer mit 70 Jahren in den Ruhestand gehen durften und etwa ein Fünftel ihres bisherigen Lohns als Rente erhielten. Dafür lag der Beitragssatz zur "Invaliditäts- und Altersversicherung" im Jahr 1889 unter zwei Prozent. Wer 30 Jahre eingezahlt hatte, sicherte sich den Anspruch auf eine Altersversorgung. Die Invalidenrente konnte nach fünf Beitragsjahren in Anspruch genommen werden. Das System finanzierte sich durch Kapitaldeckung - mit Steuerzuschuss.

Die Deutsche Rentenversicherung feiert heute in Berlin, dass sie seit 125 Jahren besteht. Mittlerweile liegt der Beitragssatz bei 18,9 Prozent (ab Januar 2015: 18,7), und die Renten werden seit Adenauers Rentenreform durch Umlage finanziert. Das heißt, die Arbeitnehmergeneration erarbeitet Monat für Monat die Ruhestandsbezüge der Rentner-Generation.

Mit einer Rücklage von mehr als 30 Milliarden Euro ist die Rentenversicherung zu ihrem 125. gut gepolstert. Wegen der Rentenpolitik der großen Koalition, die teure Reformen bei der Mütterrente und der Rente ab 63 beschlossen hat, werden diese Rücklagen rasch schmelzen.

Als Otto von Bismarck Reichskanzler war und die Rentenversicherung eingeführt wurde, lag die durchschnittliche Lebenserwartung für Neugeborene bei etwa 40 Jahren. Jungen und Mädchen, die heute zur Welt kommen, werden im Durchschnitt die 80 Jahre erreichen. Damals erreichte also nur ein kleiner Teil der Arbeiter und Angestellten das Rentenalter. Heute ist es selbstverständlich, dass der sogenannte Lebensabend eine Zeit von Vitalität und Aktivität bedeutet.

Die Bevölkerung in Deutschland altert rasch, weil die Menschen von Generation zu Generation immer älter werden und auch weil sie immer weniger Kinder bekommen. Angesichts des steigenden Durchschnittsalters ist eine der am meisten diskutierten Fragen rund um die Rente die des richtigen Rentenbeginns. Bis zu welchem Alter kann und muss der Mensch arbeiten? Brauchen wir eine Differenzierung nach Berufen? Wie sollten die Beitragszeiten berechnet werden? Zuletzt entzündeten sich diese Fragen an der Debatte um die neu eingeführte Rente ab 63 nach 45 Beitragsjahren.

Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass wir dringend mehr flexible Übergänge in den Ruhestand benötigen. Viele Ältere wollen gerne im Job bleiben, nicht aber bei gleichbleibendem, hohem Arbeitspensum. Manche haben vorgesorgt und können sich ein relativ frühes Ausscheiden leisten. Die große Koalition könnte die Hypotheken, die sie mit ihrem Rentenpaket aufgenommen hat, ein wenig mildern, indem sie flexible Übergänge in den Ruhestand schafft, die Anreize für freiwillig längeres Arbeiten setzen. Derzeit gibt es eine Vielfalt an bestehenden und diskutierten Modellen:

Teilrente Schon heute gibt es die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer - jenseits der neuen Rente ab 63 nach 45 Beitragsjahren - bereits mit 63 eine Teilrente beziehen und zugleich Teilzeit weiterarbeiten. Das Modell ist aber unattraktiv, weil es starre Grenzen setzt, nach denen die Rente zu einem Drittel, zur Hälfte oder zu zwei Dritteln gekürzt wird. Die Hinzuverdienstgrenzen sind strikt. Wer fünf Euro darüber liegt, muss drastische Abschläge hinnehmen.

Kombi-Rente Die Kombi-Rente sollte die Teilrente reformieren. Dazu legte die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in der vergangenen Wahlperiode ein Konzept vor, das auf breite Zustimmung stieß. Es wurde aber nicht umgesetzt, da sich die damalige Koalition auf die weiteren Bestandteile ihrer Reform, beispielsweise die Lebensleistungsrente, nicht einigen konnte. Die Kombi-Rente sah flexible, individuelle Hinzuverdienstmöglichkeiten bei früherem Renteneintritt vor. Die Idee war, dass die Arbeitnehmer zu ihrer Teilrente großzügig hätten hinzuverdienen können. Für die Rentenversicherung wäre dieses Modell finanziell weitgehend neutral gewesen. Das Modell hätte den Anreiz gesetzt, über die gesetzliche Altersgrenze hinaus zu arbeiten. Mit einer verlängerten Teilzeitphase über die Rentengrenze hinaus hätten die Betroffenen ihre Abschläge bei der Rente ausgleichen können.

Flexi-Rente Wer über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten wollte, dem standen bislang viele Hürden im Weg. Eine davon wurde bereits mit dem Rentenpaket im Sommer weggeräumt: Arbeitgeber können Arbeitnehmer nach Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters befristet weiterbeschäftigen. Das war zuvor nicht möglich und barg für die Arbeitgeber das theoretische Risiko, jemanden bis ins Greisenalter im Betrieb halten zu müssen. Diese Änderung wurde im Bewusstsein aufgenommen, dass von der Rente ab 63 nicht das gesellschaftspolitische Signal ausgehen darf, nun könnten doch alle wieder früher in den Ruhestand gehen. Eine Gruppe um den Chef der Mittelstandsvereinigung der Unionsfraktion im Bundestag, Carsten Linnemann, dringt zudem auf eine Flexi-Rente. Sie soll Arbeitnehmern, die bereits die Regelaltersgrenze erreicht haben, Anreize setzen, noch länger im Job zu bleiben. Ein Anreiz soll sein, dass man die Chance hat, seine Rente noch aufzubessern.

Weitere Modelle Die Gewerkschaften fordern ein Modell, das einen flexiblen Renteneintritt bereits ab 60 Jahren möglich macht. Die Pläne sind allerdings sehr teuer. Auch die FDP hatte in der vergangenen Wahlperiode ein Modell zum Renteneintritt ab 60 Jahren propagiert. Allerdings sollten nur diejenigen früher in Rente gehen können, die nachweisen, dass sie trotz Abschlägen dauerhaft ein auskömmliches Einkommen haben werden.

(qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort