Kigali Ruanda – ein Staat gibt Afrika Hoffnung

Kigali · Kriege, Korruption, Hunger: Mit einem scheinbar ewigen Krisenkontinent befasst sich heute und morgen der vierte EU-Afrika-Gipfel mit 60 Staats- und Parteichefs in Brüssel. Doch es gibt ein anderes Afrika: In Ruanda geht es trotz vieler Probleme erkennbar aufwärts.

In der "Boutique Amahoro", einem kleinen Gemüseladen am Rand von Ruandas Hauptstadt Kigali, herrscht Hochbetrieb: Alphonsine Mujawamariya, eine Mutter von vier Kindern, die durch einen Kleinkredit der Armut entkommen ist, verkauft Tomaten, Zwiebeln und Kartoffeln — das Geschäft läuft sichtbar gut. In der Stadt wird viel gebaut, die Straßen sind breit und auffällig sauber, gerade ist wieder ein Kehrtrupp unterwegs. Ob man nachts ungefährdet noch ein wenig bummeln könne, werden die ruandischen Gastgeber gefragt und lachen: "Natürlich. Kigali ist die sicherste Stadt Afrikas."

Ganz und gar nicht dem Klischee eines hoffnungslosen Kontinents entspricht das kleine ostafrikanische Land, das etwa so groß wie Belgien ist. Ruanda hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Jedes Jahr will die Regierung von Präsident Paul Kagame 200 000 neue Arbeitsplätze schaffen; für die arme Landbevölkerung ist ein Programm aufgelegt, dass jeder Familie mindestens eine Kuh als Besitz sichern soll. Ruanda plant, jährlich zweistellige Wirtschaftswachstumsraten zu erzielen, und setzt auf Investitionen in Wasserkraft, Erdwärme, Methangas aus dem Kiwu-See und Solarenergie. Auch ein anspruchsvoller Tourismus soll in der ehemaligen deutschen Kolonie entstehen. So werden in Ruhengeri an der Grenze zu Uganda und dem Kongo Touren zu den Gorillas im Regenwald angeboten.

"Wir sind alle Ruander", lautet das Motto der Regierung, das vor allem in den Kindergärten und Schulen gelebt wird. Der Lehrer Cyprien Musumbuko, der für die Münchner Hilfsorganisation "SOS-Kinderdörfer weltweit" arbeitet, zeigt stolz seinen neuen Personalausweis im Scheckkartenformat, auf dem das vermerkt ist. "Die Leute fragen nicht mehr misstrauisch: Ist das ein Hutu oder Tutsi? Sie haben keine Angst mehr voreinander", betont Musumbuko. Der Völkermord der Hutu an den Tutsi, bei dem mit bis zu einer Million Menschen nahezu jeder zehnte Einwohner ums Leben kam, jährt sich am kommenden Montag zum 20. Mal — ein grauenvolles Verbrechen, in dessen Schatten Ruanda bis heute steht.

Der Rechtsanwalt Eric Ndagijimana gehört zu denen, die als Kind die Massaker miterlebten: "Auf den Straßen lagen Tote. Mitschüler, die etwas zu essen holen wollten, sind nie mehr zurückgekommen." Seinem Sohn werde er davon erzählen, wenn er älter sei. "Die Regierung lehrt uns, einander zu vergeben und uns auf eine gemeinsame erfolgreiche Zukunft zu konzentrieren."

So sehen es die meisten Befragten. Präsident Kagame, bereits seit April 2000 im Amt, setzt dieses Programm mit harter Hand um und steht wegen der Verletzung von Menschenrechten und autoritären Verhaltens in der Kritik. Doch Ndagijimana ist sicher: "Er ist der richtige Mann, unser Land in dieser schwierigen Situation zu einen und voranzubringen." Dank Kagames Nulltoleranz-Strategie beim Kampf gegen die Korruption steht Ruanda laut "Transparency International" inzwischen an viertbester Stelle in Afrika und, gemeinsam mit Lettland, auf Platz 49 in der Welt (Deutschland: Platz zwölf).

Dem überall spürbaren Optimismus der Ruander zum Trotz sind die Rahmenbedingungen schwierig: Das Binnenland hat keinen Hafen und noch keine Eisenbahnanbindung; die hohen Transportkosten (Benzin kostet fast so viel wie in Deutschland) verteuern den Export stark. Bodenschätze gibt es kaum.

So konzentriert sich Ruanda auf sich selbst, das fruchtbare grüne Bergland hilft bei der Nahrungsmittelproduktion. "Der Anteil der Bevölkerung, die unterhalb der Armutsgrenze lebt, konnte in fünf Jahren um zwölf Prozentpunkte auf 45 Prozent gesenkt werden", heißt es in einem Bericht der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die im staatlichen Auftrag Entwicklungshilfe leistet. Es gibt eine Krankenversicherung für alle, der Zugang zu sauberem Trinkwasser wurde verbessert, die Kinder- und die Müttersterblichkeit deutlich gesenkt. "Allerdings wird eines der zentralen Millenniumsziele, die Halbierung der extremen Armut, bis 2015 trotz der beachtlichen Erfolge schwer zu erreichen sein", schränkt die GIZ ein.

Noch lebt mehr als jeder zweite Ruander von weniger als 80 Cent am Tag, die Lebenserwartung beträgt nur 51 Jahre. Und mit 2,7 Prozent jährlich ist die Bevölkerungswachstumsrate weiterhin hoch, Flüchtlinge aus den Nachbarländern kommen hinzu.

Seit 2000 ist Ruanda ein Schwerpunktland der deutschen bilateralen Zusammenarbeit. Hilfsorganisationen wie "SOS-Kinderdörfer weltweit" unterstützen Ruanda massiv. Das SOS-Kinderdorf Byumba im Norden wurde nach den Massakern gegründet, um die vielen Waisenkinder aufzunehmen. Angeschlossen ist ein Kindergarten mit 85 Plätzen.

Schon hier wird Englisch gelehrt, denn Bildung ist für die Ruander der erklärte Schlüssel zum Erfolg. Löst ein an die Tafel gerufenes Kind die Aufgabe richtig, danken ihm die anderen mit einem fröhlichen Liedchen und klatschen begeistert. Für den Besucher wirkt das hochsymbolisch: Ruanda applaudiert sich und macht sich Mut.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort