Waffenlieferungen in den Irak Und die Moral von dem Geschäft...

Berlin · Während sich die Bundesregierung nach langem Zögern zu Waffenlieferungen in den Irak bereit erklärt hat, vollzieht der Wirtschaftsminister einen Kurswechsel in der Rüstungspolitik und genehmigt weniger deutsche Waffenexporte. Wie passt das zusammen? Eine Analyse.

Das leistet Deutschland im Irak
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Foto: dpa, joh kno kde

Mit der dramatischen außenpolitischen Lage ist die Frage, wie die Deutschen mit ihren Waffen umgehen, in den Mittelpunkt der Innenpolitik gerückt. Union und SPD streiten, ob die deutsche Rüstungsindustrie an die kurze Leine gelegt werden soll und darf.

Welchen Kurswechsel in der Rüstungsexportpolitik plant Sigmar Gabriel?

Der sozialdemokratische Bundeswirtschaftsminister will die Genehmigungen der Regierung für Lieferungen deutscher Rüstungsgüter an sogenannte Drittstaaten außerhalb der EU und der Nato einschränken. Mit dem Tod dürften keine Geschäfte gemacht werden, sagt Gabriel. Die Genehmigungspraxis solle sich künftig stärker nach politischen und ethischen Grundsätzen richten. Den Kursschwenk sieht Gabriel durch den Koalitionsvertrag gedeckt: Dort heißt es, die Koalition wolle bei ihren Rüstungsexportentscheidungen in Drittstaaten die bereits im Jahr 2000 beschlossenen strengen "politischen Grundsätze" als verbindlich ansehen. Die schwarz-gelbe Koalition hatte diese Grundsätze lockerer interpretiert: Das Volumen der deutschen Rüstungsausfuhr in Drittstaaten stieg 2013 auf die Rekordhöhe von 8,34 Milliarden Euro.

Was kritisiert die Union an Gabriels Kurswechsel?

Die Union fährt schwere Geschütze auf, um Gabriels Kurs zu stoppen. Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer warf Gabriel vor, die nationale Sicherheit zu gefährden. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs sagte: "Es gibt klare Regeln für den Rüstungsexport. Wenn Gabriel die enger fassen will, gefährdet das die Rüstungsindustrie in ihrem Bestand." Damit stünden 200 000 Jobs auf dem Spiel.

Was fordern Betriebsräte der Unternehmen, die bei Gabriel waren?

Rund 20 Betriebsräte von Rüstungsfirmen hatten Gabriel im Juni einen Brandbrief geschrieben. Darin hatten sie das Fehlen einer klaren Linie in der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung kritisiert. Dies könne sich "unmittelbar auf die Beschäftigten und ihre Arbeitsplätze auswirken", warnten sie. Nach einem Treffen mit den Betriebsräten gestern in Berlin entgegnete Gabriel jedoch, die Angst vor Jobverlusten in deutschen Rüstungsfirmen dürfe bei künftigen Exportgenehmigungen "keine ausschlaggebende Rolle" spielen. Die EU-Staaten müssten in der Zukunft ein gemeinsames Rüstungskonzept erarbeiten. Es sei nicht sinnvoll, wenn 28 Staaten bei der Rüstung weiterhin alle "ihr eigenes Ding" machten, so Gabriel.

Wie passt der Kurswechsel zusammen mit Plänen der Regierung, eine aktivere militärische Rolle in außenpolitischen Konflikten zu spielen?

Auf den ersten Blick ist es ein Widerspruch, dass Deutschland nun stärker bereit ist, in bewaffnete Konflikte einzugreifen oder auch Waffen dorthin zu liefern, und der Wirtschaftsminister andererseits die Rüstungsexporte drosseln will. Allerdings ist es sehr wohl möglich, zwischen dem reinen Geschäft mit Waffen und einer gezielten Produktion für die Aufgaben der Bundeswehr zu unterscheiden.

Welche Rolle spielt die Rüstung für die deutsche Volkswirtschaft?

Bundesweit arbeiten knapp 100 000 Arbeitnehmer in der Rüstung. Hinzu kommen weitere 215 000 Jobs bei Zulieferern und Dienstleistern, die überwiegend für Rüstungsfirmen arbeiten. Zu den Hochzeiten des Kalten Krieges bot die Branche in Deutschland noch mehr als doppelt so vielen Menschen Arbeit. Die Branche setzt 23 Milliarden Euro pro Jahr um. Das entspricht dem Jahresumsatz eines kleineren Dax-Konzerns. Forschung aus militärischen Motiven bringt mitunter bemerkenswerte Ergebnisse: Es war eine dem US-Verteidigungsministerium unterstellte Forschungsagentur, die Ende der 60er Jahre die Computer großer US-Universitäten miteinander vernetzte - und so die Keimzelle für das Internet legte.

Hat die deutsche Rüstung Weltrang?

Ja. Der "Leopard 2" zum Beispiel, den die Münchner Krauss-Maffei Wegmann zusammen mit der Düsseldorfer Rheinmetall baut, gilt als bester Kampfpanzer der Welt. Auch die Kriegsschiffe von ThyssenKrupp und die Handfeuerwaffen von Heckler & Koch stehen bei den Armeen der Welt hoch im Kurs. Weltweit ist Deutschland nach den USA und Russland drittgrößter Rüstungsexporteur - allerdings mit großem Abstand. Während die USA und Russland zusammen mehr als die Hälfte der weltweiten Nachfrage bedienen, hat Deutschland einen Anteil von gerade sieben Prozent.

Wie geht es der Branche?

Schlechter als noch vor zehn Jahren. Das Rüstungsgeschäft ist zyklisch: Langen Jahren der Forschung folgen kurze, dafür aber sehr lukrative Zeiten des Verkaufs. Strukturell leiden die deutschen Unternehmen daran, dass sie im Weltmaßstab viel zu klein sind, um große Forschungsvolumen finanzieren zu können. Trotzdem scheitern deutsche und europäische Fusionen regelmäßig an politischen Einwänden oder an den Eitelkeiten der oft mittelständisch geprägten Führungskultur. In den USA hat die Politik die Konsolidierung der Branche erzwungen. Nach dem Mauerfall versammelte der damalige Verteidigungsminister William Perry die stark zersplitterte Branche und drohte den Konzernchefs, sie würden beruflich nicht überleben, wenn sie nicht zu größeren Einheiten zusammenfänden.

(mar / qua)
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