Bukarest Rumäniens Regierung zieht Korruptionsdekret zurück

Bukarest · Der Sinneswandel kam überraschend. Noch am Samstag zeigte sich Liviu Dragnea, Chef der postkommunistischen Sozialdemokraten (PSD), unbeeindruckt von den größten Massenprotesten seit dem Sturz des kommunistischen Diktators Nicolae Ceausescu vor 27 Jahren: "Das Dekret wird in Kraft treten, daran gibt es keine Zweifel", sagte er. Dem Präsidenten Klaus Iohannis, der sich an die Spitze der Bürgerbewegung gestellt hatte, warf er vor, "eine Kampagne aus Lügen und Falschinformationen" gegen die Regierung zu führen. Am Samstagabend schickte Dragnea dann aber Premierminister Sorin Grindeanu mit der Botschaft vor, das am vergangenen Mittwoch erlassene Dekret werde doch zurückgenommen. "Wir haben die Stimme der Straße gehört", säuselte Grindeanu.

Neben den Massenprotesten dürfte auch die Aussichtslosigkeit, juristisch die Selbstfreisprechung von Korruptionsskandalen abzusichern, die Regierung zur Kehrtwende veranlasst haben. Staatliche Instanzen - allen voran der Präsident, die Justizaufsichtsbehörde und Ombudsman Victor Ciorbea - haben beim Verfassungsgericht geklagt.

Grindeanus Begründung ist fadenscheinig: "Die Verordnung ist nicht sehr gut kommuniziert worden", sagte er, daher hätten die Bürger "vieles missverstanden". Dafür machte er Justizminister Florin Iordache verantwortlich, dem jetzt wohl die Rolle des Sündenbocks zufällt. Tatsächlich konnte man an dem Dekret nichts missverstehen. Laut der sogenannten Notverordnung sollten Korruption und Amtsmissbrauch unter einer Schadenssumme von rund 45.000 Euro straffrei gestellt werden. Hunderte laufende Verfahren gegen Politiker, Beamte und zwielichtige Geschäftemacher wären eingestellt worden.

Trotz der Kehrtwende von Premier Grindeanu und PSD-Chef Dragnea verlangten gestern Abend nach Schätzungen einheimischer Medien fast eine halbe Million Menschen bei landesweiten Straßenprotesten den Rücktritt der sozialliberalen Regierung.

(RP)
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