Zum Tod von Boris Nemzow Wer in Russland die Regierenden kritisiert, riskiert sein Leben

Düsseldorf/Moskau · Demokratien wie autoritär geführte Regime müssen mit Kritik ihrer Bürger leben. Doch der Umgang mit den Kritikern könnte unterschiedlicher kaum sein. In Demokratien widerlegt man Kritiker gemeinhin mit Argumenten, nicht mit Attentaten. Autoritäre Regime gehen dagegen gegen den Kritiker als Person vor. Sie erzeugen Repression, sie schaffen ein Klima aus Angst und persönlicher Bedrohung. Kritik in und an solchen Regimen und ihrer Führung ist oft mit Gefahr für Leib und Leben verknüpft.

Diese Putin-Gegner starben einen gewaltsamen Tod
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Foto: dpa, ukit ks

Boris Nemzow (55) wusste um seine Gefährdung als Kritiker des Kremls und dessen politischer Galionsfigur Wladimir Putin. Der jüngste Mord von Moskau belegt das gefährliche Leben russischer Oppositioneller im In- und im Ausland.

Die Liste toter Kreml-Kritiker ist seit dem Wochenende um einen Namen länger. Vor zwei Jahren war der Oligarch Boris Beresowski im Exil in seinem Anwesen bei London tot aufgefunden worden. Er unterstützte die russische Opposition mit Geld. Ergebnis der Obduktion: Tod durch Strangulieren. Vor einem Jahr hieß es, es habe nicht zweifelsfrei geklärt werden können, ob sich der 66-Jährige umgebracht habe oder ob ein Mord vorliege.

Sergej Magnitski (37) hatte hohen Beamten im Kreml Korruption vorgeworfen. Daraufhin kam der Anwalt wegen angeblicher Steuervergehen in Untersuchungshaft. Dort soll er im November 2009 an einem Herzinfarkt gestorben sein. Menschenrechtler und Hinterbliebene sprechen von Folter.

Natalja Estemirowa (51) hatte sich wegen ihres Eintretens für die Menschenrechte in Tschetschenien viele Feinde in Moskau wie auch im Nordkaukasus gemacht. Sie wurde im Juli 2009 in der russischen Krisenregion erschossen aufgefunden.

Am 19. Januar 2009 wurde die Journalistin Anastassija Baburowa (26) mit dem Anwalt Stanislaw Markelow (34) in Moskau auf offener Straße erschossen. Die Journalistin schrieb für die kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta" über Nationalismus und Missstände bei der russischen Polizei. Der Anwalt Markelow hatte sich vor allem für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen eingesetzt und Tschetschenen anwaltlich vertreten.

Am 23. November 2006 starb in London der frühere KGB-Mitarbeiter und Putin-Kritiker Alexander Litwinenko (43) durch hochgiftiges, radioaktives Polonium-210. Er war nach Großbritannien ausgewandert und hatte auch für den britischen Geheimdienst MI 6 gearbeitet. Der Kreml wies alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück.

International sorgte auch der Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja (48) für Schlagzeilen. Sie war im Oktober 2006 in Moskau im Treppenhaus ihres Hauses erschossen worden. Sie hatte für die "Nowaja Gaseta" über russische Menschenrechtsverletztungen in Tschetschenien berichtet. 2014 wurden fünf aus Tschetschenien stammende Männer zu Haftstrafen verurteilt. Die Auftraggeber des Verbrechens sind weiterhin unbekannt.

Der Regimekritiker Alexej Nawalny sitzt in Haft; Sergej Udalzow verbüßt viereinhalb Jahre im Straflager wegen Anstiftung zu gewaltsamen Massenprotesten gegen Putin. Nawalny nutzte das Internet zur Aufdeckung von Skandalen. Bei der Bürgermeisterwahl in Moskau 2013 bekam er 27 Prozent der Stimmen.

(RP)
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