"Europa braucht den Euro nicht" Sarrazins neues Buch im Fakten-Check

"Europa braucht den Euro nicht", behauptet der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin in seinem neuen Buch. Das Ökonomen-Urteil: Viele Thesen sind unbelegbar oder falsch, andere stimmen. Ein Fakten-Check.

Dienstag ist S-Day: Thilo Sarrazin präsentiert sein neues Buch im Berliner Adlon-Hotel, flankiert von Stefan Homburg, einem der bekannteren Euro-Skeptiker unter den deutschen Ökonomen. "Europa braucht den Euro nicht", heißt es im Titel des neuen Sarrazin-Buches, das nach "Deutschland schafft sich ab" wieder ein Bestseller werden soll.

"In bewährter kritischer Manier" beschreibe Sarrazin "die verheerenden Resultate politischen Wunschdenkens und stellt die Debatte um den Euro und die europäische Vertrauenskrise vom Kopf auf die Füße", heißt es im Klappentext des 464-Seiten-Werks.

Das neue Buch kommt weniger polemisch daher als sein Vorgänger, doch auch dieses enthält neben mancher Wahrheit Behauptungen, unbelegbare Thesen und Provozierendes.

Ein Fakten-Check:

Sarrazin meint, Länder wie Portugal, Griechenland oder Spanien hätten ohne den Euro heute weniger Arbeitslose und eine wettbewerbsfähigere Wirtschaft. Stimmt das?

"Wie diese Länder heute wirtschaftlich dastehen würden, wenn es den Euro nicht gäbe, weiß niemand", sagt Oxford-Ökonom Clemens Fuest, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums. "Richtig ist, dass die Möglichkeit der Anpassung durch Wechselkursänderung diesen Ländern in der aktuellen Lage helfen würde." Doch wahr ist vor allem, dass der Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers 2008 und die anschließende Welt-Finanzkrise die Euro-Schuldenkrise mindestens beschleunigt, wenn nicht ausgelöst haben. "Die Euro-Krise ist zum größten Teil Ausdruck der Finanzkrise", sagt Peter Bofinger, Mitglied im Rat der Wirtschaftsweisen. Das Beispiel Islands, das infolge der Finanzkrise bankrott ging, zeige, dass Länder wie Griechenland auch ohne den Euro in eine existenzbedrohende Schieflage geraten wären. Der Wuppertaler Ökonom Paul Welfens meint, ohne den Euro wären die Euro-Länder 2008 weniger gut durch die Finanzkrise gekommen.

Sarrazin meint, Deutschland habe den Euro zur Sicherung seiner Wettbewerbsfähigkeit nicht gebraucht.

Gut möglich, dass die deutsche Wirtschaft heute auch ohne den Euro gut dastünde. "Doch der Euro ist nun mal da, und wir müssen jetzt sehen, wie wir diese Krise meistern", sagt Bofinger. So zu tun, als ließe sich der Euro einfach wieder auswechseln, sei genauso ein Wunschdenken, wie es Sarrazin vielen Politikern vorwerfe. Der Euro brachte der deutschen Wirtschaft zusätzlichen Schub. "Deutschland hat davon profitiert, dass der Euro weniger aufwertete, als es die D-Mark getan hätte. Dadurch konnte es im Export noch besser sein", meint Bofinger. Laut Welfens lag das deutsche Wachstumsplus 1999 bis 2008 durch den Euro bei jährlich 0,25 Prozentpunkten.

Griechenland soll laut Sarrazin aus der Euro-Zone austreten. Das Gleiche solle für alle gelten, die sich den "deutschen Standards" nicht unterwerfen wollten. Ginge das?

Der Austritt Griechenlands und anderer könnte der Anfang vom Ende der Währungsunion sein, warnt Fuest. "Die Auflösung einer Währungsunion ist eine extrem riskante Operation mit dramatischen wirtschaftlichen und politischen Folgen. Diesen Weg sollte man nur gehen, wenn die Weiterführung der Währungsunion mit noch höheren Kosten verbunden ist", sagt der Schäuble-Berater.

Sarrazin meint, die Forderung nach gemeinsamen Staatsanleihen, den Eurobonds, wurzele letztlich in einem Schuld-Komplex: Die Deutschen sollten damit späte Buße für den Holocaust tun.

"Das ist eine bewusst provozierende Spekulation über die Motive der Befürworter von Eurobonds, die ich nicht teile", sagt Fuest. Welfens, selbst Befürworter der Eurobonds, sagt: "Das ist ja völliger Unsinn."

(csi/rm)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort