Berlin/Düsseldorf Schäuble will Schuldenbremse lockern

Berlin/Düsseldorf · Die Länder sollen nun doch auch nach 2020 neue Kredite aufnehmen können. Das schlägt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor. Er will die Länder härter kontrollieren. NRW drängt derweil auf mehr Geld vom Bund.

Beim Machtspiel um die künftigen Staatsfinanzen von Bund und Ländern wagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen neuen Vorstoß: Er will den Bundesländern erlauben, auch nach 2020 neue Schulden aufnehmen zu können, wenn sie sich viel härter kontrollieren lassen. Dazu soll der Stabilitätsrat von Bund und Ländern in eine echte Kontrollbehörde verwandelt werden.

Sowohl die NRW-Landesregierung als auch einige andere Bundesländer reagierten zurückhaltend auf den Vorschlag, die Schuldengrenzen ab 2020 zu lockern. Es mache wenig Sinn, "einzelne Mosaiksteine" aus den Verhandlungen über einen neuen Bund-Länder-Finanzausgleich zu brechen, sagte der Finanzminister von Rheinland-Pfalz, Carsten Kühl (SPD). Sein Parteifreund Nils Schmid aus Baden-Württemberg bezeichnete Schäubles Vorschlag als "Scheinangebot" - die Länder brauchten verlässliche Einnahmen für die Zukunft und keine neuen Schulden.

Aus Kreisen des Düsseldorfer rot-grünen Kabinetts verlauteten drei Punkte: Erstens habe für NRW Priorität, dass das bevölkerungsreichste Bundesland einen deutlich höheren Anteil der im eigenen Land erwirtschafteten Steuern selber behalten könne - genau diesen Punkt hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) noch vor wenigen Tagen in Berlin unterstrichen. Immerhin überweist NRW pro Jahr rund 1,7 Milliarden Euro inklusive Umsatzsteuerausgleich an andere Bundesländer und muss unter der Schwäche einiger Konzerne wie Eon und RWE leiden. Laut Berechnung der Landesregierung muss das Land pro Bürger alleine im Länderfinanzausgleich 76 Euro im Jahr an andere Länder abgeben.

Zweitens hält NRW am Ziel fest, bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen - daran ändert auch die Erhöhung der Neuverschuldung in diesem Jahr von geplanten 2,4 Milliarden Euro auf 3,2 Milliarden Euro nichts. Immerhin kann NRW die Zinslasten wegen des niedrigen Zinsniveaus aktuell mit jeder Umschuldung senken. Bei steigenden Zinsen droht allerdings eine Zeitbombe, ein tiefgreifendes Sparprogramm gibt es bisher nicht.

Drittens gibt es Skepsis dagegen, dass der Stabilitätsrat, ein Gemeinschaftsgremium von Bund und Ländern, tatsächlich wie von Schäuble vorgeschlagen in die Haushaltsfreiheit der Länder eingreifen könne. "Die Landtage haben das Budgetrecht", sagt ein führender Landespolitiker, "das lässt sich schwer ignorieren." Interessanterweise hat Bayerns-Finanzminister Markus Söder (CSU) auch schon harte Kontrollen für nördlich gelagerte Schuldenländer gefordert - das sorgt nur für Widerstand bei Rot-Grün.

Angesichts dieser Lage gibt es wohl keine Alternative, als dass Bund und Länder sich bei der Neuordnung der Finanzen zusammenraufen. Aus Kreisen der Düsseldorfer Landesregierung erfuhr unsere Zeitung, dass man eine Lösung zur Amtszeit der jetzigen Bundesregierung anstrebt. Die SPD sitzt mit im Kabinett, nach der Bundestagswahl 2017 könnte das anders sein.

Rund eine Milliarde Euro an zusätzlichen Einnahmen für NRW könnte es dabei bringen, wenn der Solidaritätszuschlag zwar abgeschafft wird, aber im Gegenzug die Einkommens- und Körperschaftsteuer teilweise steigt. Dies sieht ein zwischen Schäuble und dem SPD-Politiker Olaf Scholz ausgearbeitetes Papier vor. Insgesamt würden alle Länder sechs Milliarden Euro mehr erhalten.

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) könnte sich ab 2020 über eine weitere Entlastung freuen: Laut dem Schäuble-Scholz-Papier würde der Bund ab 2018 einen Teil der Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger übernehmen. In der Vorlage ist von fünf Milliarden Euro für alle Länder die Rede - NRW würde wohl eine Milliarde Euro mehr erhalten.

Das Papier war schon Vorlage beim Treffen der drei Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU) vor zwei Wochen im Kanzleramt. Die drei Politiker signalisierten Zustimmung.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort