Washington Schäuble zeigt Verständnis für Putins Drohbrief

Washington · Der Finanzminister wirbt beim Treffen mit seinem russischen Kollegen für Entspannung im Gas-Streit. Die USA drohen mit Sanktionen.

Wolfgang Schäuble hat einen Dolmetscher mitgenommen nach Washington. Das hat er sonst selten getan, wenn er zur Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und dem zuvor stattfindenden Treffen der Finanzminister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G 20) aufgebrochen ist. Doch diesmal hatte Schäuble ein ernstes Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen Anton Siluanow über die jüngste Eskalation der Ukraine-Krise zu führen — und da kam es auf jedes einzelne Wort an.

Europäer und Amerikaner suchten in Washington händeringend nach Mitteln, jede weitere Zuspitzung im Konflikt mit Russlands Präsident Wladimir Putin zu vermeiden. Der Westen setzt auf eine Doppelstrategie: Einerseits sollte von Washington ein Signal der Entspannung ausgehen, andererseits wollte der Westen vor Putin aber auch nicht einknicken. Vor allem aber ging es darum, dass sich die EU und die USA nicht auseinanderbringen ließen, wenn es etwa um härtere Sanktionen gegen Russland geht.

Putin hatte am Donnerstag in einem Brief an 18 westliche Regierungschefs, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, gedroht, wenn die Ukraine ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber Russland nicht bald nachkomme, könne das auch die für Deutschland existenzielle Gaszufuhr nach Westeuropa gefährden. Russland verlangt von der Ukraine, die vor der Staatspleite steht, seit dem 1. April höhere Preise für seine Gaslieferungen. Zudem sollen russische Kräfte in der Ostukraine die Unruhen schüren, gleichzeitig soll Putin Zehntausende Soldaten an der Grenze zur Ostukraine zusammenziehen.

In Washington hatte nun auch der deutsche Finanzminister seine Rolle in diesem gefährlichen Spiel zu meistern. Schäuble zeigte einerseits Verständnis für den Brief Putins, betonte andererseits aber auch die gemeinsame Haltung des Westens, dass die Ukraine insgesamt imstande sein müsse, ihren eigenen, demokratischen Weg zu gehen. "Man kann den Brief Putins nicht einfach vom Tisch wischen", sagte Schäuble. Es sei unstrittig, dass die Ukraine gegenüber Russland im Zahlungsrückstand sei. Russland habe auch schon vor längerer Zeit erklärt, dass es den Gasrabatt, der sich nach Putins Angaben in den vergangenen vier Jahren auf 35 Milliarden US-Dollar summiert habe, ab April beenden wolle. Richtig sei auch, dass die über die Ukraine nach Westeuropa laufenden russischen Gaslieferungen "hier nicht immer angekommen sind wie eine Paketsendung der Deutschen Post", dass die Ukraine also Gas abgezapft hat.

"Es gibt beide Möglichkeiten: Das Risiko, dass die Dinge weiter eskalieren, dann wird der Westen in seiner Haltung fest stehen", warnte Schäuble nach seinem Gespräch mit Siluanow. "Es gibt aber auch noch die Möglichkeit der Deeskalation." Für Russland seien die wirtschaftlichen Folgen dieser Krise weit schmerzhafter als für Westeuropa, das habe er seinem Amtskollegen klargemacht. Die Wirtschaftslage Russlands habe sich zuletzt weiter deutlich verschlechtert.

Im Zentrum der Deeskalationsbemühungen steht der IWF, der die Ukraine in den kommenden zwei Jahren mit Krediten über 14 bis 18 Milliarden US-Dollar (umgerechnet zehn bis 13 Milliarden Euro) unter Reformauflagen vor der Pleite retten soll. Hinzu kommen weitere elf Milliarden Euro von der Europäischen Union sowie 3,5 Milliarden von der Weltbank. Allerdings muss der IWF sicherstellen, dass das Geld des Westens nicht einfach in Putins Taschen fließt, sollte dieser den Gaspreis für die Ukraine immer mehr in die Höhe treiben. "Dagegen muss der IWF Vorkehrungen treffen", sagte Schäuble.

Den zweiten Teil der westlichen Doppelstrategie aus Entspannung und Härte vertrat US-Präsident Barack Obama. In einem Telefonat mit Angela Merkel empfahl er, auf eine weitere Eskalation mit zusätzlichen Strafen zu reagieren. Die USA, die EU und die anderen internationalen Partner müssten dazu bereit sein. Russland versuche, die Energieversorgung als Druckmittel einzusetzen, kritisierte das Weiße Haus.

Die Ukraine sucht offenbar bereits fieberhaft nach Ersatzquellen für den Fall, dass Russland seine Drohung wahrmacht: So will sie sich das dringend benötigte Erdgas über Notverträge mit den Versorgern RWE aus Essen und GDF aus Frankreich sichern. RWE-Finanzchef Bernhard Günther hatte bereits Anfang März Lieferungen an die Ukraine als möglich bezeichnet.

(mar)
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