Kritik von Gauck und Grünen Schily bleibt im Stasi-Streit hart

München/Berlin (rpo). Die Haltung des Bundesinnenministers Otto Schily im Streit um die Stasi-Akten bleibt weiterhin umstritten. Schily hofft auf eine gütliche Regelung mit Birthler.

Bei dem Streit geht es um die Frage, ob Stasi-Unterlagen wie etwa Abhörprotokolle über Opfer und Personen der Zeitgeschichte veröffentlich werden dürfen. Unterstützung erhielt Schily vom Datenschutzbeauftragten der Bundesregierung, Joachim Jacob. Heftige Kritik an Schily kam von ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern, aus den Reihen von Grünen und SPD sowie dem Birthler-Vorgänger Joachim Gauck.

Wenn Birthler nicht einlenke, sei er zu einer rechtsaufsichtlichen Regelung verpflichtet, betonte Schily. Gleichzeitig stritt er Medienberichte und Angaben der Stasi-Akten-Behörde ab, Birthler ein Ultimatum gestellt zu haben. Schily sagte, er habe Birthler jetzt noch einmal schriftlich aufgefordert, ihre Auffassung darzulegen.

"Personen der Zeitgeschichte verlieren nicht das Recht, als Opfer betrachtet zu werden." Nach dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zur Akte des Alt-Kanzlers Helmut Kohl müssten nun alle prominenten Stasi-Opfer gleich behandelt werden. Daher dürfe Birthler keine Akten von Personen der Zeitgeschichte, die zum Beispiel abgehörte Telefongespräche enthielten, ohne deren Zustimmung veröffentlichen. Im Stasi-Unterlagengesetz werde dem Opferschutz eindeutig Vorrang vor der Aufklärung eingeräumt.

Der Datenschutzbeauftragte Jacob zeigte sich überzeugt, dass das Berliner Urteil zum Umgang mit den Stasi-Akten Bestand haben wird. Die Rechtslage sei ganz eindeutig. Jacob widersprach damit im Hessischen Rundfunk der Auffassung Gaucks. Dieser rechnet mit einer Bestätigung der bisherigen Praxis in der nächsten Instanz. Birthler hat angekündigt, Rechtsmittel einzulegen. Gauck hatte Schily im ZDF kritisiert. Das Rechtsstaatsbewusstsein in der Behörde bedürfe keines Nachhilfeunterrichts.

Bürgerrechtler verlangt Entschuldigung Schilys bei Birthler

Auch Innen- und Rechtspolitiker von SPD und Grünen unterstützten Birthler. Die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Ute Vogt (SPD), sagte im DeutschlandRadio, sie halte Rechtsmittel gegen das Kohl-Urteil auf jeden Fall für notwendig. Sollte es auch in der letzten Instanz bestätigt werden, müsste nach Ansicht von Grünen- Rechtsexperte Volker Beck das Stasi-Unterlagengesetzes reformiert werden. Schily untergrabe das Vermächtnis der Bürgerrechtsbewegung.

DDR-Bürgerrechtler Wolfgang Ullmann verlangte eine Entschuldigung Schilys bei Birthler. Er sei entsetzt über das Vorgehen des Ministers, sagte er im Deutschlandfunk. Der DDR-Dissident Lutz Rathenow mahnte im ZDF-Morgenmagazin eine Klarstellung des Opfer- Begriffs an. "Wer nur abgehört worden ist, ist kein Opfer."

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem forderte Schily auf, Forschern weiterhin ungehinderten Zugang zu den Stasi-Unterlagen zu gewähren. Der Direktor des Zentrums, Efraim Zuroff, sagte der dpa, er habe in einem Brief an Schily auf die enorme Bedeutung der Unterlagen für die Arbeit des Zentrums hingewiesen. In den Akten fänden sich auch Informationen über alte Nazis. Den Zugang zu den Akten von der Zustimmung der Betroffenen abhängig zu machen, bedeute, Nazi-Tätern einen Status zuzubilligen, der Nazi-Opfern vorbehalten bleiben sollte, sagte Zuroff.

(RPO Archiv)
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