Klausur in Meseberg Der Stolperstart als Merkels Gesetz

Berlin · Neue Regierungen beginnen meistens im Streit. Die Kanzlerin hat inzwischen eine gewisse Routine mit Anfangsproblemen.

Kabinett auf Kuschelkurs im Schloss Meseberg
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Mit verhaltenem Optimismus traten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Stellvertreter, Energieminister Sigmar Gabriel (SPD), nach ihrer zweitägigen Kabinettsklausur in Meseberg bei Berlin vor die Presse. "Die Gespräche waren so, dass ich ermutigt bin, dass wir das schaffen können", meinte Merkel. Der SPD-Vorsitzende beschrieb die Atmosphäre als gut. Nach öffentlichen Debatten in den ersten vier Wochen ihrer gemeinsamen Regierungszeit demonstrierten Union und SPD gestern Einigkeit.

Stolperstarts sind in der Geschichte der bundesdeutschen Regierungen nichts Besonderes. Die Frage ist immer, was die Koalitionäre daraus machen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat inzwischen eine gewisse Routine darin, dass ihre Regierungen nur mühsam aus dem Startblock kommen.

Die Ergebnisse von Meseberg im Januar 2014
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Foto: dpa, Maurizio Gambarini

Die erste große Koalition unter ihrer Führung zoffte sich 2005 erst einmal über Atompolitik und die Kopfpauschale im Gesundheitssystem. Beide Streitthemen haben sich längst erledigt. Die Union ist nach der Fukushima-Katastrophe aus der Atomenergie ausgestiegen und hat die Kopfpauschale zur Finanzierung der Gesundheit aufgegeben. Damals traf man sich im Winter 2006 in dem preußischen Herrenhaus Genshagen und war hinterher ähnlich ratlos wie zuvor. Es gab keine ambitionierten Projekte, keine Aufbruchstimmung, wenig Gemeinsamkeit. In der Öffentlichkeit stand die große Koalition wegen der saftigen Mehrwertsteuererhöhung schlecht da. Umso erstaunlicher ist, dass diese erste große Koalition unter Merkel rückblickend als gute und erfolgreiche Regierung wahrgenommen wird. Offensichtlich war es die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise, die aus der ungeliebten Partnerschaft ein konstruktives Bündnis hat werden lassen.

Als Union und FDP knapp 2009 eine gemeinsame Mehrheit bekamen, hing der Himmel voller Geigen. Nun konnte man von dem Zweckbündnis mit den Sozialdemokraten endlich in die Liebesbeziehung mit der FDP gehen. Doch die Ernüchterung folgte schnell.

Die Union hätte ihre gemäßigt sozialdemokratische Politik am liebsten fortgesetzt, während die Liberalen Deutschland auf Leistung trimmen wollten — ein fatales Missverständnis. Trotz der Regierungsklausur gleich zum Auftakt der schwarz-gelben "Tigerenten-Koalition", wie sie am Anfang noch liebevoll genannt wurde, fanden Union und Liberale gemeinsam nicht wirklich Tritt. Rentenreform, Vorratsdatenspeicherung, Energiewende, Mindestlohn, Frauenquote — es gab kaum ein Thema, bei dem sich die Wunschkoalitionäre einig waren. Die Liberalen wurden für ihren Auftritt in diesen Jahren vom Wähler 2013 mit dem Rauswurf aus dem Bundestag bestraft.

Auch diese Regierung hat einen holprigen Start hingelegt. Schon in der sonst so nachrichtenarmen Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr duellierten sich die Bündnispartner über die Ausgestaltung des Mindestlohns. Der Grund für die Unstimmigkeiten zwischen Union und SPD liegt nicht nur in sachlichen Meinungsverschiedenheiten. Er hat auch mit dem bisherigen Auftreten der Sozialdemokraten zu tun. Anders als 2005 kommen sie nun aus der Opposition und haben neues Selbstbewusstsein. Sie sind voller Tatendrang und wollen vor allem eines verhindern: dass am Ende die Union als Gewinnerin aus den gemeinsamen Jahren hervorgeht.

Kaum eine Regierung ist bislang so ambitioniert angetreten wie die derzeitige. Bis zum Sommer sollen Rentenreform, Energiewende und Mindestlohn unter Dach und Fach sein. Bislang hat auch noch kein Vizekanzler neben Merkel das Gaspedal gleich in den ersten Wochen derart durchgedrückt. Der Chef, seine Minister und das Parteivolk sind bis in die Haarspitzen motiviert, vor allem Mindestlohn und 63er-Rente durchzusetzen.

Während Koalitionsklausuren bislang vor allem dem Aufbau von persönlichem Vertrauen galten, wurden dieses Mal auch viele Pläne auf den Tisch gelegt. Der Unterschied zu Genshagen 2006 sei, "dass sich eine ganze Menge Kollegen im Kabinett bereits aufeinander bezogen hätten", betonte Gabriel. Als ein Ergebnis dieser Klausur nannte er, dass viele Probleme ressortübergreifend gelöst werden müssten.

Neu ist auch, dass die Regierung gemeinsam in den Dialog mit den Bürgern einsteigen will. Bislang waren solche Veranstaltungen stets parteigebunden. Nun wollen Union und SPD, wie die Kanzlerin ankündigte, in mehr als 100 Veranstaltungen die Bürger fragen, was sie sich unter "gutem Leben" vorstellen.

(qua)
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