Ankara Schwiegervaters Miliz

Ankara · Orhan Uzuner ist der Vater von Recep Tayyip Erdogans Schwiegertochter. Online sammelt er eine Bürgerwehr zum Schutz des Staatschefs.

Orhan Uzuner hat eine Trillerpfeife am Schlüsselbund und ein Megafon im Auto, damit er auf den Ernstfall vorbereitet ist und das Volk zusammentrommeln kann: beim nächsten Putschversuch in der Türkei nämlich. Damit im Falle eines Umsturzversuchs wie am 15. Juli 2016 schnell eine Art Bürgerwehr aktiv werden kann, will Uzuner über Kurznachrichtendienste wie Whatsapp und Zello ein Netzwerk mit Tausenden Freiwilligen aufbauen. Kritiker vermuten, dass es Uzuner weniger um die Verteidigung der demokratischen Ordnung geht als um die Mobilisierung bewaffneter Anhänger von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Denn Uzuner ist nicht irgendein Türke, sondern der Schwiegervater von Erdogans Sohn Bilal. Als Gegenschwiegervater des Präsidenten ist Uzuner ein begeisterter Anhänger des Staatschefs, der sich im April bei einem Verfassungsreferendum das Ja der Wähler zur Einrichtung eines Präsidialsystems mit weitreichenden Vollmachten sichern will. Uzuners Bürgerwehr-Initiative mit dem Namen "Bleib brüderlich, Türkei" wird nach Presseberichten auch dafür eingesetzt, um für eine Zustimmung zu Recep Tayyip Erdogans Präsidialplänen zu werben.

Doch das ist aus Sicht der Skeptiker nicht einmal das eigentliche Problem. Sie befürchten, dass hier eine illegale Bande bewaffneter Schläger gegründet werden soll, die bei Bedarf auf Regierungsgegner gehetzt werden kann. Von "Erdogans Miliz" war in der Oppositionszeitung "Cumhuriyet" die Rede. Ein im Internet aufgetauchtes Video von einer Versammlung zeigt Uzuner, wie er über die Trillerpfeife und das Megafon redet und dann hinzufügt: "Da sind auch Waffen, die wir benutzen, wenn es notwendig wird. Das sind die Vorbereitungen, die wir treffen müssen."

Die neue Initiative ist nicht die einzige, die auf eine organisierte Mobilisierung von Erdogan-Anhängern auf den Straßen der Türkei hindeutet. Die Behörden in der Metropole Istanbul wollen in der Stadt insgesamt 700 Bürger zu bezahlten Hilfssheriffs ernennen, die in ihren jeweiligen Wohnvierteln Polizeiaufgaben erfüllen sollen. Kritiker haben den Verdacht, dass auf diese Weise regierungstreue Spitzel und Denunzianten über die Stadt verteilt werden sollen. Erdogan selbst hat die Türken mehrmals öffentlich aufgerufen, mutmaßliche Anhänger des als Putschführer verteufelten Geistlichen Fethullah Gülen in ihrem privaten Umfeld den Behörden zu melden. Gülen lebt im Exil in den Vereinigten Staaten.

Erdogan-Anhänger verweisen darauf, dass sich der Präsident in der Putschnacht im vergangenen Sommer nur über das Handy einer Journalistin an die Nation wenden und die Türken zur Gegenwehr aufrufen konnte: Die Umstürzler hatten die staatlichen Medien unter ihre Kontrolle gebracht. Uzuner betont, beim nächsten Putschversuch dürfe nichts dem Zufall überlassen werden. Erdogan ist für ihn "unser Anführer und das Symbol der Freiheit". Deshalb wolle er jetzt handeln, sagte er der Zeitung "Hürriyet": "Wir wollen die Leute auf die Plätze und Straßen bringen."

Uzuner bestreitet jedoch, bei der Werbung für seine neue Gruppe auch Waffen erwähnt zu haben. Er habe in dem Video nicht über Schusswaffen - auf Türkisch "silah" - gesprochen, sondern über Sirenen - "siren". Auf der Aufnahme aus der Versammlung hört es sich zwar eher nach "silah" an, doch der Erdogan-Verwandte betont die Friedfertigkeit seiner Initiative: Er wolle einen eigenen Rundfunksender aufbauen und Funkgeräte, Satellitentelefone und Drohnen anschaffen, aber keine Pistolen.

So ganz privat und zivilgesellschaftlich, wie Uzuner sie beschreibt, ist die neue Truppe freilich nicht. Wie Medien berichteten, erhalten Mitglieder eine Erste-Hilfe-Ausbildung vom Gesundheitsministerium, während Drohnen-Piloten von der türkischen Luftfahrtbehörde trainiert werden. Nimmt man Uzuners angebliche Waffen-Äußerung hinzu, ergebe sich ein beunruhigendes Bild, finden Erdogan-Gegner wie die Gruppe "Antidikta" auf Twitter: "Wird hier der Bürgerkrieg vorbereitet?"

(RP)
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