Caracas Selbst der Iran trauert um Hugo Chávez

Caracas · Morgen wird der einem Krebsleiden erlegene Präsident beerdigt. Innerhalb von 30 Tagen soll in Venezuela ein neuer Staatschef gewählt werden. Amerikas Präsident Obama wünscht sich nun bessere Beziehungen zu dem ölreichen Land.

Der Tag danach begann am frühen Morgen mit 21 Salutschüssen zu Ehren des verstorbenen Präsidenten. Venezuela verabschiedet sich mit einer mehrtägigen Staatstrauer von Hugo Chávez, der morgen beigesetzt wird. "Wir wollen Chávez, nur Chávez", riefen Tausende weinende Anhänger in den Straßen der Hauptstadt Caracas. Viele stellten Kerzen auf und legten Blumen an Orten nieder, die sie mit dem politischen Wirken des Präsidenten verbinden.

Autos trugen Trauerflor an den Antennen, in den Fenstern der Hochhäuser in den Armenvierteln hängen noch mehr Bilder des "Comandante" als bisher. Dort hatte der wegen seiner milliardenschweren Sozialprogramme populäre Chávez seine Machtbasis. Doch der Sozialist hatte mit seiner Verstaatlichungspolitik die Bevölkerung tief gespalten. Anhänger verweisen auf einen Rückgang der Armut und einen besseren Zugang einkommensschwacher Familien zu Bildung und Gesundheit. Kritiker prangern dagegen die Schattenseiten des von Chávez propagierten Sozialismus im 21. Jahrhundert an, allen voran die hohe Arbeitslosigkeit und Kriminalität, dazu Inflation und Vetternwirtschaft.

Auf der internationalen Bühne galt der ehemalige Offizier als einer der umstrittensten Politiker der Welt. Bei jeder Gelegenheit stilisierte sich der selbsternannte Erbe des Revolutionshelden Simón Bolivar als Kämpfer für die Unterdrückten, sein Image als Erzfeind der USA pflegte er mit Leidenschaft. So beschimpfte er 2006 George W. Bush in einer Rede vor der UN-Vollversammlung: "Gestern war der Teufel hier. Der Präsident der Vereinigten Staaten. Es riecht immer noch nach Schwefel."

Schritt für Schritt übernahm der Linkspopulist die Rolle des Fahnenträgers von Kubas Revolutionsführer Fidel Castro, den Chávez bis zuletzt als "Vater" verehrte. Außenpolitisch schmiedete Chávez fragwürdige Allianzen – mit Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, Weißrusslands autoritärem Staatschef Alexander Lukaschenko, Syriens Präsident Baschar al Assad oder seinerzeit auch mit Libyens Revolutionsführer Muammar al Gaddafi.

Im Iran wurde wegen des Todesfalls landesweit ein Trauertag ausgerufen. Ahmadinedschad nannte den verstorbenen Amtskollegen ein "Symbol des Widerstands gegen den Imperialismus" und hob ihn auf eine Stufe mit Jesus. Als "hervorragenden Staatschef und guten Freund" beschrieb Chinas Führung den Verstorbenen. Serbiens Regierung verlieh ihm posthum einen Orden.

US-Präsident Barack Obama bekundete sein Interesse an besseren Kontakten: Venezuela schlage nun ein neues Kapitel in seiner Geschichte auf. Die USA seien bereit, mit der Regierung in Caracas "konstruktive Beziehungen" aufzunehmen. Die USA sind der wichtigste Käufer venezolanischen Öls. Mit den Petro-Dollars finanzierte Chávez wiederum einen Großteil seiner Sozialprogramme.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drückte Venezuela sein Beileid aus. Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff, die selbst eine Krebsbehandlung hinter sich hat, erklärte: "Heute ist ein großer Lateinamerikaner gestorben." Chiles Staatschef Sebastián Piñera teilte mit, er sei nicht immer einer Meinung mit Chávez gewesen. "Aber ich schätzte seine Kraft und sein Engagement, mit dem er für seine Ideale gekämpft hat." Auch aus Europa kamen Kondolenzschreiben. Bundesaußenminister Guido Westerwelle bezeichnete den Tod von Chávez als "tiefen Einschnitt" für das südamerikanische Land. "Ich setze darauf, dass Venezuela nach Tagen der Trauer den Aufbruch in eine neue Zeit schafft." Eine Schlüsselrolle für die Stabilität im Land wird das Militär einnehmen. Wenige Stunden vor dem Tod rief Vizepräsident Nicolás Maduro die Militärführung und die sozialistischen Gouverneure des Landes zusammen – offiziell, um über die wirtschaftliche Entwicklung zu sprechen. Maduro dürfte sich dabei der Unterstützung der Armeespitze versichert haben.

Chávez hatte vor wenigen Monaten in kluger Voraussicht seine politische Erbschaft geregelt und Maduro, einen Busfahrer, der durch Gewerkschaftsarbeit und Loyalität zu Chávez Karriere machte, als Nachfolger vorgeschlagen. Damit hat er einen Machtkampf verhindert. Das politische Testament von Chávez, der dank einer riesigen Propagandamaschinerie in Venezuela schon zu Lebzeiten zu einer Art Heiligenfigur verklärt wurde, werden seine Anhänger wohl akzeptieren.

Auf Nicolás Maduro warten nach seiner Wahl, die binnen eines Monats erfolgen soll, immens schwere Aufgaben. Er wird unpopuläre Entscheidungen treffen müssen, die Chávez aufgeschoben hatte, darunter die Konsolidierung des in Schieflage geratenen Staatshaushaltes.

(RP)
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