Belgrad Serbien rechnet mit der Ära Milosevic ab

Belgrad · Ein Kritiker des Regimes wurde vor 15 Jahren ermordet. Die Täter sollen aus Geheimdienstkreisen kommen.

Slavko Curuvija hatte keine Chance. Als er am 11. April 1999 sein Haus in Belgrad betreten wollte, lauerten ihm bereits zwei Männer auf. Sie schlugen erst seine Lebensgefährtin nieder und durchsiebten ihn mit 17 Kugeln aus einer Maschinenpistole. Der Mord an dem damals 50 Jahre alte regimekritischen Verleger gilt bis heute als beispielhaft für die Brutalität, mit der das Regime unter dem Kriegspräsidenten Slobodan Milosevic politische Gegner eliminierte.

Fast 15 Jahre später bestätigte Miljko Radisavljevic, Serbiens oberster Ankläger des Sondergerichts für das organisierte Verbrechen, dass der Mord vom damaligen Inlandsgeheimdienst DB in Auftrag gegeben worden ist. Im Visier sind vier mutmaßliche Täter: Ex-DB-Chef Ratko Markovic, der bereits wegen anderer Verbrechen zu 40 Jahren Haft verurteilt wurde, dessen damaliger Belgrader Abteilungsleiter Milan Radonjic und der Sicherheitsbeamte Ratko Romic. Der mutmaßliche Mordschütze Miroslav Kurak ist flüchtig. Am 21. Januar beginnen die Beitrittsgespräche mit der EU-Kommission in Brüssel. Vor allem deshalb wird jetzt die Aufklärung von Verbrechen der Milosevic-Ära vorangetrieben.

Laut dem Chefankläger Radisavljevic stammen die Namen der Verdächtigen von einem berühmtem Kronzeugen: Milorad Ulemek, der als einer der Drahtzieher des Mordes am liberalen Premier und Milosevic-Bezwinger Zoran Djindjic im Jahr 2003 ebenfalls zu 40 Jahren Haft verurteilt wurde. Radisavljevic dementierte, dass Ulemek mit "irgendwelchen Vorteilen" für seine Aussage rechnen könne. Der Ex-Anführer der Sonderpolizei "Rote Barette" habe sich freiwillig dazu bereiterklärt. Die Rotkappen waren während der postjugoslawischen Kriege in den 90ern an vielen Verbrechen beteiligt. Nach Milosevics Sturz im Oktober 2000 wandelte sich dessen Prätorianergarde zu einer der mächtigsten Mafia-Organisationen auf dem Balkan. Wer den Mord an Djindjic ausgeführt hat, ist bis heute nicht bekannt.

Die Spur im Mordfall des Verlegers führt jedenfalls direkt zu Milosevics berüchtigter Gattin Mirjana Markovic. Sie lebt seit 2006 im russischen Exil. Kurz vor den Luftangriffen der Nato auf Belgrad, die den Kosovo-Krieg stoppten, hatte sie Markovic in einer Zeitschrift als Verräter beschimpft und ihn damit zum Freiwild erklärt. Eine Auslieferung muss Markovic nicht fürchten — sie steht unter dem persönlichen Schutz von Russlands Präsident Wladimir Putin.

Die Suche nach den Strippenziehern ist für die heutigen Machthaber eine unbequeme Aufgabe. Viele wichtige Belgrader Politiker gehörten 1999 zum inneren Kreis des damaligen Regimes: Präsident Tomislav Nikolic war Chef der Radikalenpartei SRS und Milosevics Koalitionspartner. Premierminister Ivica Dacic war damals Sprecher Milosevics, und der heutige Vizepremier Aleksandar Vucic bekleidete das Amt des Informationsministers. Nikolic sagte, er habe Curuvijas Bruder damals versichert, "ich werde eines Tages die Mörder finden". Doch zitieren Zeitungen seine frühere Aussage, wonach ihm der Mord an Curuvija "nicht leidtut". Zur Rolle der Präsidentengattin Mira Markovic will er nichts sagen.

(RP)
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