Persönlich Sigmar Gabriel . . . betritt noch mal die große Bühne

Von Wahlkampf versteht Sigmar Gabriel immer noch viel - deutlich mehr als viele Strategen im Willy-Brandt-Haus. So nahm sich der Minister zwei Tage Auszeit vom Bundestagswahlkampf, um an seiner ersten Sitzung der Vereinten Nationen (UN) teilzunehmen. Eigentlich handelte es sich aber um eine Fortsetzung des Wahlkampfs mit anderen Mitteln: Brillieren auf der großen Bühne, um so den Genossen zu Hause in den Fußgängerzonen unter den roten Schirmen mit dem Parteilogo den Rücken zu stärken.

Im Wahlkampf ist auf Gabriel Verlass: Vor der UN-Generalversammlung hielt er eine Rede, mit der die Deutschen anderntags über die Radionachrichten geweckt wurden. Ohne den US-Präsidenten direkt zu erwähnen, hielt Gabriel dem Prinzip "Amerika zuerst" die Formel "Internationale Verantwortung zuerst" entgegen. Der deutsche Außenminister erläuterte, das Motto "Unser Land zuerst" führe nur zu mehr nationalen Konfrontationen und zu weniger Wohlstand. Das saß. Weiß doch auch bei den UN jeder, dass das weltoffene Deutschland eine niedrige Arbeitslosigkeit und ein stabiles Wirtschaftswachstum hat.

Nach Jahren als abgewählter niedersächsischer Ministerpräsident, Umweltminister, SPD-Chef, Wirtschaftsminister und Vizekanzler scheint Gabriel seine Paraderolle gefunden zu haben: Chef des Außenamts. Ausgerechnet Gabriel, dem man vieles nachsagen kann, nicht aber, dass er der typische Diplomat sei. Aber möglicherweise ist es seine unkonventionelle Art, die den unbeliebten früheren SPD-Chef zum Außenminister mit hohen Sympathiewerten gemacht hat. So justierte er die Türkei-Politik neu, fährt einen Annäherungskurs gegenüber Moskau und ist den Amerikanern gegenüber deutlich.

Doch könnte es passieren, dass Gabriel das Amt schnell wieder hergeben muss. Wenn sich die SPD gegen eine Fortsetzung der großen Koalition entscheidet, hat er keine Chance zu bleiben.

(RP)
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