Berlin/Brüssel Gabriel erwartet eine Million Flüchtlinge

Berlin/Brüssel · Dem deutschen Beispiel der Grenzschließung folgten Österreich, die Slowakei und die Niederlande. Die EU-Innenminister verständigten sich gestern nur auf freiwillige Quoten in der Flüchtlingspolitik.

 In der Messehalle 8a in Düsseldorf stehen 1000 Betten für Flüchtlinge bereit.

In der Messehalle 8a in Düsseldorf stehen 1000 Betten für Flüchtlinge bereit.

Foto: Bretz, Andreas

Immer mehr Länder in der EU machen ihre Grenzen dicht. Dem deutschen Beispiel folgten gestern Österreich, die Slowakei und die Niederlande. Trotz der dramatischen Lage gelang es den Innenministern in Brüssel nicht, sich abschließend über ein Quotensystem für die Flüchtlinge zu einigen. Eine endgültige Entscheidung wurde auf den 8. Oktober verschoben. Immerhin verständigten sich die Ressortchefs auf eine grundsätzliche Lösung für die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen, allerdings auf freiwilliger Basis. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte, Zeitpläne zur Einrichtung der Aufnahmezentren festzulegen und die Finanzhilfen für die Türkei zu erhöhen - "damit sich dort nicht noch mehr aufmachen nach Europa".

Der Massenandrang von Flüchtlingen nach Deutschland konnte mit der Grenzschließung vorläufig gebremst werden. SPD-Chef Sigmar Gabriel bereitete seine Parteimitglieder in einem Schreiben dennoch darauf vor, dass Deutschland in diesem Jahr voraussichtlich etwa eine Million Flüchtlinge aufnehmen werde. Das wären 200.000 mehr, als die bislang prognostizierten 800.000. An der serbisch-ungarischen Grenze wurden ein Tag vor der Einführung verschärfter Strafen für illegale Einreisen noch einmal gut 5000 Flüchtlinge eingelassen. Am späten Abend schlossen die Behörden den letzten freien Durchgang. In Nickelsdorf an der ungarisch-österreichischen Grenze sind nach Polizeiangaben derzeit etwa 9000 Flüchtlinge.

Die Aufnahmebereitschaft der Deutschen animiert offenbar Fluchtwillige in anderen Ländern. Die Flüchtlingsbewegungen aus Ländern wie Nigeria und Ägypten seien in den vergangenen Tagen erheblich gewachsen, heißt es in einem internen Lagebericht des Auswärtigen Amts. Die Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze würden zudem zu Ausweichbewegungen der Zufluchtssuchenden über die "grüne Grenze" führen. In der Sitzung des CDU-Präsidiums, an der Kanzlerin Merkel teilnahm, herrschte gestern Morgen Ratlosigkeit. Es fehle an Ärzten, Polizisten und Helfern, warnten Teilnehmer. Ein Präsidiumsmitglied sprach sogar von "Staatsnotstand". Merkel betonte dennoch: "Wir müssen jetzt Zuversicht verbreiten."

Die Bundesregierung ist praktisch nur noch mit der Flüchtlingsfrage beschäftigt. Eine für heute und morgen geplante Kabinettsklausur wurde abgesagt. Stattdessen wird Merkel heute ihren Amtskollegen aus Österreich, Werner Faymann, treffen. Für den Abend ist eine Sonderkonferenz mit den Ministerpräsidenten der Länder geplant.

Die Unionsfraktionschefs in den Ländern wollen den Kurs verschärfen. Sie legten sich bei einem Treffen mit der Kanzlerin am Sonntagabend auf die Forderung fest, dass Asyl-Folgeanträge - also erneut gestellte Anträge - für generell unzulässig erklärt und mit sofortiger Abschiebung verbunden sein sollen. Für Flüchtlinge vom Westbalkan wollen die Unionsfraktionschefs Asylzentren errichten, in denen Residenzpflicht herrschen und Sachleistungen ausgegeben werden sollen. Innerhalb von drei Wochen sollen abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bot Ländern und Kommunen Hilfe bei der Bewältigung der Krise an. Soldaten und Zivilbeschäftigte der Bundeswehr könnten die Einrichtung und den Betrieb der geplanten Verteilzentren für Flüchtlinge übernehmen.

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Foto: afp, ak ej

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Slowenien habe seine Grenzen geschlossen. Tatsächlich handelt es sich um die Slowakei. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

(brö, qua)
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