Europawahl Gabriel warnt Merkel vor Kungelei um EU-Chefposten

Berlin · Der SPD-Vorsitzende mahnt die Regierungsspitzen, den Wähler bei der Ernennung des Kommissionspräsidenten nicht zu umgehen.

Das Europaparlament in Zahlen
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Foto: dpa, Patrick Seeger

Wer kennt Martin Schulz? Der sozialdemokratische Spitzenkandidat für die Europawahl ist zwar landesweit an fast jeder Straßenecke auf Plakaten zu sehen. Doch allein auf diese Werbewirkung scheint die SPD angesichts magerer Umfragewerte nicht mehr vertrauen zu wollen.

Jedenfalls ließ sie gestern Martin Schulz als noch amtierenden Präsidenten des EU-Parlaments gemeinsam mit SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel vor Journalisten in Berlin auftreten. Und am Ende lieferte denn auch Gabriel die kernigste Botschaft des unverhohlenen Wahlkampftreffens: Wehe, wenn die EU-Staats- und Regierungschefs nach der Wahl am 25. Mai einen Kommissionspräsidenten vorschlagen, der zuvor nicht als Spitzenkandidat aufgetreten ist. Man könne nicht erstmals bei einer Europawahl Spitzenkandidaten der Parteien aufstellen und dann den Wählerwillen umgehen, sagte Gabriel und warnte vor der "größten Volksverdummungsaktion in der Geschichte der europäischen Bürger".

Er habe aus Kreisen des Europäischen Rates gehört, dass nach der Wahl anstelle der nominierten Spitzenkandidaten ein anderer Bewerber als Kommissionspräsident vorgeschlagen werden könnte, sagte Gabriel. Hinterzimmer-Absprachen der Regierungschefs würden jedoch "die europäische Demokratie auf lange Zeit zerstören", warnte der Vizekanzler. Mit Angela Merkel (CDU) gebe es über ihr Verhalten bisher keine Absprachen.

Die Kanzlerin steht hinter Martin Schulz' Konkurrenten Jean-Claude Juncker. Der frühere Premier Luxemburgs und einstige Eurogruppenchef ist Spitzenkandidat der konservativen Europäischen Volkspartei, zu der im Europaparlament auch die Unionsparteien gehören.

Glaubt man aktuellen Umfragen, darf sich Juncker größere Hoffnungen als Martin Schulz machen, als neuer Kommissionspräsident die eigene Karriere vorantreiben zu können: Zuletzt hatten rund 40 Prozent der befragten deutschen Wähler angegeben, ihre Stimme den konservativen Unionsparteien geben zu wollen, lediglich 28 Prozent würden am 25. Mai die SPD wählen.

Dennoch herrscht natürlich Zuversicht im sozialdemokratischen Berlin, dass es mit den Stimmen anderer Europaabgeordneter am Ende doch noch für Martin Schulz reichen könnte. Michael Roth, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, betont zudem den dringenden Reformbedarf der Kommission: "Die Staats- und Regierungschefs klüngeln in Brüssel gerne hinter verschlossenen Türen ihre Entscheidungen aus. Wir brauchen endlich wieder eine starke Kommission, die dagegenhält. Insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik müssen die zuständigen Kommissare enger als bislang kooperieren", sagte der SPD-Politiker.

(jdr)
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