Nachruf Simone Veil 1927-2017

Im Jahr 2009 sagte Simone Veil noch: "Ich glaube, dass ich an den Holocaust denken werde, wenn ich sterbe." Ihr Leben lang behielt die Französin mit den dunklen Haaren und blauen Augen die Nummer 78651 auf dem Arm, die ihr in Auschwitz tätowiert wurde. Die in Nizza geborene Jüdin überlebte das Konzentrationslager mit ihren Schwestern - der Rest der Familie kam ums Leben. "Einige sind durch die unbeschreibliche Katastrophe für immer niedergeschlagen. Die anderen schöpfen daraus eine unglaubliche Energie - Simone Veil gehörte dazu", würdigte der Historiker Serge Klarsfeld die Politikerin, die gestern im Alter von 89 Jahren starb.

Gleich nach dem Krieg begann die 18-Jährige ihr Studium an der Politik-Hochschule Sciences Po in Frankreich, heiratete, wurde Mutter von drei Söhnen. 1950 zog die Familie nach Wiesbaden - der Beginn eines Engagements für die deutsch-französische Aussöhnung, das ein Leben lang dauern sollte. Unvergessen ist ihr Auftritt vor dem Bundestag 2004 zum Holocaust-Gedenktag. Ihren ersten Kampf als Feministin musste die junge Mutter gegen den Ehemann bestehen: Der wollte nicht, dass seine Frau arbeitet. Doch Veil trat 1957 eine Stelle im französischen Justizministerium an, wurde 1970 als erste Frau Generalsekretärin im Obersten Justizrat. 1974 kam sie als Gesundheitsministerin in die Regierung von Jacques Chirac, war damit die erste Ministerin Frankreichs seit 1958. Es folgte ein Kampf für das Recht auf Abtreibung, der in der Geschichte der französischen Nationalversammlung legendär geblieben ist. Veil warb 25 Stunden lang vor den fast durchweg männlichen Abgeordneten für das Gesetz, das noch heute nach ihr benannt ist. Die Entschlossenheit, mit der sie für die Sache der Frauen kämpfte, machte Veil zur Ikone. 1979 wurde sie erste Präsidentin des Europaparlaments. Für ihre Verdienste um den europäischen Einigungsprozess erhielt Veil den internationalen Karlspreis der Stadt Aachen und wurde in die berühmte Académie Française gewählt.

(RP)
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