Analyse nach Bekanntwerden von Großspenden Sind die Parteien käuflich?

Berlin · BMW-Großaktionäre spenden der CDU 690.000 Euro – just in einer Phase, in der die christdemokratische Kanzlerin eine BMW-feindliche EU-Politik ausbremst. Zufall? Was die großzügigen Finanzzuschüsse bewirken.

BMW-Großaktionäre spenden der CDU 690.000 Euro — just in einer Phase, in der die christdemokratische Kanzlerin eine BMW-feindliche EU-Politik ausbremst. Zufall? Was die großzügigen Finanzzuschüsse bewirken.

Natürlich sei die Kanzlerin nicht käuflich, versicherte die Regierung, als die 690.000-Euro-Spenden von BMW-Großaktionären an die CDU publik wurden. In der Tat hat Angela Merkel in der Wahrnehmung der Bevölkerung das Image, überhaupt nicht korrumpierbar zu sein. Auch ihren autofreundlichen Kurs hat sie nicht erst nach dem Eingang der dicken Überweisung eingeschlagen: Das ist Grundlage ihrer Politik von Anfang an — und nahezu unterschiedslos von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) übernommen. Wenn die schärferen Abgaswerte, die vor allem BMW das Geschäft vermiesen würden, nun also dank deutscher Intervention später kommen als von der EU geplant, dann hat das aus Sicht der CDU überhaupt nichts mit Parteispenden aus dem BMW-Umfeld zu tun.

Alles also kein Problem mit Geld von interessierter Seite an die handelnde Politik? Ganz und gar nicht. Ein Geldkoffer beendete die erste Karriere des damaligen Unionsfraktionschefs Wolfgang Schäuble. Und auch Helmut Kohls Denkmal als Kanzler der Einheit hat hässliche Kratzer, weil er partout die Namen von Parteispendern nicht nennen wollte — allen Vermutungen über gekaufte Entscheidungen zu Trotz und dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Vorgaben zuwider.

Denn nach dem Parteiengesetz muss jede Spende ab 10.000 Euro spätestens im Rechenschaftsbericht der Parteien auftauchen, sind Spenden ab 50.000 Euro sofort dem Bundestagspräsidenten zu melden, der sie umgehend publiziert. Das Prinzip: Transparenz statt Korruption. Dahinter steckt die Erwartung, dass sich Anrüchiges damit von selbst erledigt — aus Furcht, entdeckt zu werden. Und wer die vorgeschriebenen Angaben "vergisst" oder bewusst verschleiert, wird bei Entdeckung mit einem Entzug öffentlicher Mittel bestraft, die einem Mehrfachen der verschwiegenen Spendensumme entspricht.

Sicherheitshalber untersagt das Gesetz auch ausdrücklich alle Spenden, mit dem der Absender die erkennbare Erwartung eines "bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils" als Gegenleistung verbindet. Im Zweifel wird kein Spender das öffentlich bekunden. Und für die Parteien stellt sich ohnehin die Frage, ob sie beim Wähler noch punkten können, wenn sie erkennen lassen, dass sie käuflich sind.

BMW überweist alle vier Jahre

Blicken wir auf die Großspende der Aktionärsfamilie Quandt/Klatten an die CDU. Alle vier Jahre überweisen die BMW-Miteigner einen vergleichsweise großen Betrag an Parteien, die aus ihrer Sicht politisch gute Arbeit geleistet haben. Stets nach Bundestagswahlen gehen die Beträge ein. Aber selbst 690.000 Euro sind, gemessen an den übrigen Einnahmen der CDU binnen vier Jahre sicherlich nichts, wofür man den guten Ruf riskieren dürfte. Denn dieser Betrag ist ins Verhältnis zu setzen zu rund 67,5 Millionen Euro selbst erwirtschafteter Erträge der Partei, zu 25 Millionen kleiner, mittlerer und größerer Zuwendungen und zu 46 Millionen, die die CDU an öffentlicher Parteienfinanzierung erhält. Das relativiert.

Ohnehin ist fraglich, wie aussagekräftig die Höhe einzelner Spenden ist. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International setzt sich dafür ein, Großspenden über 50.000 Euro von einzelnen Personen und 100.000 Euro von Unternehmen grundsätzlich zu verbieten. Ab dieser Größenordnung seien rein selbstlose Unterstützungsleistungen kaum mehr zu erwarten. Doch Kleinvieh macht natürlich auch Mist. So verbuchten die Grünen in ihren Regierungsjahren zahlreiche Spenden zwischen 25.000 und 70.000 Euro von Firmen aus der Branche der regenerativen Unternehmen. Im Verhältnis zu den sonstigen Einnahmen der Grünen und in der Summe lagen die Beträge deutlich über dem, was die BMW-Aktionäre nun der CDU zudachten.

Deshalb kommt aber wohl kaum ein Grünen-Gegner auf den Gedanken, die Solar- und Windparkprofiteure hätten die Grünen gesponsert, damit diese sich im Gegenzug für genau diese Branche einsetzen. Umgekehrt trifft die Annahme schon eher: dass die Grünen in ihren Arbeitsmöglichkeiten auch finanziell von interessierter Seite gestärkt werden sollten, weil sie die Positionen längst eingenommen hatten.

Das Zusammentreffen politischer Entscheidungen mit Parteispenden der dadurch Begünstigten hat jedoch gleichbleibendes Skandalpotenzial. Die FDP kann davon ein Lied singen, seit Spenden aus dem Umfeld der Mövenpick-Kette mit den Vergünstigungen durch die neue Hotelsteuer in Verbindung gebracht wurden: Die Käuflichkeit der FDP schien belegt. Tatsächlich aber hatte sie die Steuerentscheidung lediglich mitgetragen, zumal sie in den Wahlprogrammen fast aller Parteien gestanden hatte. Die eigentlich treibende Kraft war die CSU gewesen. Aber damit hätte sich das schöne Vorurteil gegen die Liberalen nicht pflegen lassen.

Dennoch tut der neue Bundestag gut daran, die Finanzierungsgrundlagen noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Eine ganze Reihe von Verbesserungen haben die zurückliegenden Gesetzesnovellen bereits gebracht. So werden die staatlichen Mittel für die Parteien gleich dreifach gedeckelt: Der Staat darf der einzelnen Partei nicht mehr bezahlen, als diese aus eigener Kraft selbst erwirtschaftet. Zudem bemisst sich die Bezuschussung nicht anhand des Stimmenanteils bei Bundestags- und Landtagswahlen, sondern an der Zahl der Wähler. Geringe Wahlbeteiligung bedeutet also auch weniger Geld. Und schließlich ist die Gesamtleistung auf rund 150 Millionen im Jahr begrenzt.

Zwei Baustellen sind vor allem in Sicht: Was dürfen Parteien als Unternehmer? Auch Einfluss auf Medien nehmen, indem sie Zeitungen und Sender kaufen? Und reicht es aus, erst Spenden ab 10.000 Euro zu veröffentlichen? Müsste die Schwelle nicht deutlich darunter liegen, um etwa Stückelungen besser aufspüren zu können, die gerade deshalb geschehen, um Beeinflussungsversuche zu verheimlichen?

(RP)
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