Washington So könnten die USA in Syrien eingreifen

Washington · Amerikas ranghöchster Soldat, General Martin Dempsey, stellt verschiedene Optionen vor, warnt aber vor den Folgen.

 General Martin Dempsey unterstreicht seine Erläuterungen vor einem Senatsausschuss mit dem Bild eines US-Soldaten.

General Martin Dempsey unterstreicht seine Erläuterungen vor einem Senatsausschuss mit dem Bild eines US-Soldaten.

Foto: AP

In den Schubladen des Pentagon liegen fünf Szenarien für ein Eingreifen in Syrien. Auf Druck des US-Senats hat General Martin Dempsey (61) erstmals publik gemacht, an welche Varianten die Militärs denken. Aus jeder Zeile spricht die Vorsicht nach schlechten Erfahrungen: In einem offenen Brief hat der Stabschef der Streitkräfte das Pro und Contra eines militärischen Eingreifens in Syrien abgewogen, ausführlicher als je zuvor.

"Sobald wir handeln, müssen wir gefasst sein auf das, was als Nächstes kommt", schreibt Dempsey und warnt eindringlich davor, Fehler zu wiederholen, wie sie die USA im Irak begingen. Die Fehler einer Invasion, die zwar 2003 zum raschen Sturz Saddam Husseins führte, zugleich aber zum Kollaps staatlicher Strukturen und damit zu bürgerkriegsähnlichem Chaos. "Wir müssen damit rechnen, dass unser Handeln unbeabsichtigte Folgen hat", doziert der Vier-Sterne-General. Sollte das Regime Baschar al Assads zusammenbrechen, ohne durch eine starke Opposition ersetzt zu werden, könnte man ungewollt Extremisten in die Hände spielen.

Fünf denkbare Varianten eines Eingreifens zählt Dempsey auf: die Bewaffnung und Ausbildung der Rebellen, gezielte Luftschläge gegen strategische Ziele, eine Flugverbotszone, geschützte Enklaven an den Grenzen Syriens und die Beschlagnahmung chemischer Waffen. So ganz freiwillig lässt der Autor seine Analyse freilich nicht zirkulieren. Der alte Falke John McCain, einer der eifrigsten Fürsprecher einer Intervention, hatte angedroht, Dempsey auflaufen zu lassen, falls er nicht endlich Farbe bekenne. Demnächst muss der Senat darüber befinden, ob der Stabschef für weitere zwei Jahre im Amt bleibt. Was als reine Routine begann, wurde zu einem kleinen Drama, als McCain laut mit dem Gedanken spielte, die Verlängerung zu blockieren, falls Dempsey auf präzise Fragen nicht präzise Antworten gebe, statt sich hinter Allgemeinplätzen zu verstecken.

Das Ergebnis ist das detaillierteste Papier zur amerikanischen Syrien-Strategie, das die Öffentlichkeit zu lesen bekam, seit das Weiße Haus im Juni die Bewaffnung moderater Rebellenmilizen ankündigte. Dass Amerikas Militärspitze nicht an ein rasches Ende Assads glaubt, hat Dempsey gerade erst bei einer Anhörung im Kongress deutlich gemacht. Im Augenblick scheine sich die Kräftebalance in Richtung des Diktators zu verschieben, bilanzierte er und orakelte, Assad werde wohl auch in zwölf Monaten noch an der Macht sein.

Jay Carney, der Sprecher von Präsident Barack Obama, lässt seinerseits durchblicken, dass Washington sich auf eine Art Klein-Syrien einstellt, einen Rumpfstaat unter Assad, der sich von Damaskus über Homs bis zu den Alawiten-Hochburgen am Mittelmeer erstreckt.

Laut "Wall Street Journal" sollen die ersten Waffenlieferungen, organisiert von der CIA, frühestens im August bei den Rebellen eintreffen. Insgesamt ergibt dies das Bild einer Taktik der kleinen Schritte, halb abwartend, halb ratlos. Dazu passt, dass nun auch Dempsey vor allem vor den Risiken warnt: Eine Flugverbotszone würde den Einsatz Hunderter Flugzeuge erfordern und in Zeiten eines strikten Sparkurses enorme Kosten verursachen, anfangs 500 Millionen, später eine Milliarde Dollar (rund 760 Millionen Euro) pro Monat. Die Wirkung sei indes fraglich, denn Assads Armee stütze sich im Kampf mehr auf Artillerie und Raketen als auf Kampfjets.

Eine Alternative wären Pufferzonen an den Grenzen zur Türkei und Jordanien. Um die Enklaven zu schützen, müsste Obama allerdings Bodentruppen einsetzen, mehrere Tausend Soldaten, wahrscheinlich zu stationieren auf türkischem oder jordanischem Boden. Dempsey warnt, diese Truppen könnten Extremisten anlocken.

Ohne Weiteres durchführbar, so meint der General, seien Kommando-Aktionen gegen syrische Chemiewaffenlager, nur könne man keinesfalls das komplette Arsenal unter Kontrolle bringen. Die Folge wären Wirren, die Fanatikern den Zugriff auf die verbleibenden C-Waffen erleichtern könnten.

(RP)
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