Reaktion auf Anschläge in Paris Wie die EU die Terror-Abwehr stärken will

Brüssel · Eine Woche nach dem Massaker von Paris haben sich die EU-Innenminister zu einer Sondersitzung getroffen und zahlreiche Beschlüsse gefasst. Sie zielen auf eine "beschleunigte Umsetzung" der Anti-Terror-Maßnahmen, die schon nach den Attacken im Januar auf den Weg gebracht wurden, aber noch nicht in Kraft getreten sind.

Mehr Daten sammeln

Hohe Priorität hat für die Polizeiminister, dass Daten von Flugpassagieren gespeichert werden. "Wir müssen wissen, wer nach Europa zurückkommt", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zum Problem der "reisenden Dschihadisten", die als EU-Bürger in Syrien oder Irak für den Islamischen Staat (IS) kämpfen oder sich ausbilden lassen. Analog zu Reisen in die USA wollen auch die europäischen Sicherheitsbehörden künftig vorab wissen, wer zu ihnen unterwegs ist. Die Daten aus dem Passenger Name Record (PNR) sollen auch bei innereuropäischen Flügen gespeichert werden. Dem Luxemburger Vorsitzenden Etienne Schneider zufolge geht es um eine Dauer von sechs Monaten, in der die Daten ausgewertet werden können - und das "nicht nur bei Verbrechen grenzüberschreitender Natur", wie es heißt.

Das halten viele im Europaparlament für unverhältnismäßig, weshalb die seit 2011 laufenden Verhandlungen mit den EU-Staaten über das europäische PNR-System bisher nicht zum Abschluss gebracht wurden. Erst am Donnerstag hatte die CSU-Abgeordnete Monika Hohlmeier Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken vorgeworfen, mit ihrer Blockadehaltung die Sicherheit der Bürger zu gefährden: "Terroristen würden lustvoll links wählen." Jan-Philipp Albrecht von den Grünen hielt dagegen, es sei "nicht der richtige Weg, Terroristen mit grobschlächtigen Überwachungsmaßnahmen gegenüber der gesamten Bevölkerung zu begegnen". Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, die Fluggastdaten seien bei der Fahndung "sehr hilfreich", etwa nach dem Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel im Mai 2014.

Besserer Informationsaustausch

Die Ermittlungen zu den Pariser Anschlägen haben wieder einmal große Defizite bei der Zusammenarbeit der europäischen Behörden offengelegt: So beklagte Frankreich, dass man "keinerlei Information" von den Sicherheitsbehörden anderer EU-Staaten zum mittlerweile getöteten Drahtzieher Abdelhamid Abaaoud erhalten habe; und dies, obwohl dieser sich offenbar in mehreren europäischen Ländern bewegte und auch kontrolliert wurde. Einige der Pariser Attentäter waren zudem dem belgischen Geheimdienst bekannt, ohne dass die französischen Kollegen davon erfahren hätten. "Wenn nur fünf Staaten Informationen an Europol melden", klagte de Maizière, "darf man sich nicht wundern, dass der Informationsaustausch nicht funktioniert."

Nun soll die vereinbarte Kooperation wirklich umgesetzt werden. "Die Mitgliedstaaten werden sicherstellen, dass die nationalen Behörden systematisch Informationen über mutmaßlich im Ausland kämpfende Terroristen in SIS II einspeisen", heißt es bezüglich des Schengener Informationssystems in der Erklärung der Minister. Sie verweisen darauf, dass mit der neuen Anti-Terror-Einheit unter dem Dach von Europol, die zum 1. Januar 2016 die Arbeit aufnimmt, künftig eine Plattform zum Datenaustausch und für mehr gemeinsame Einsätze zur Verfügung steht. Die Mitgliedstaaten sollen dafür Experten nach Den Haag abstellen, die als grenzüberschreitendes Ermittlungsteam nationale Fahnder unterstützen sollen. Die Innenminister haben zudem die EU-Kommission gebeten, einen Gesetzesvorschlag zur Aufwertung von Europol vorzulegen. Die Polizeibehörde soll für einen "systematischen Datenabgleich" mit SIS II oder Interpol-Datenbanken zuständig werden. "Europol ist auf dem Weg zur Superbehörde", kritisiert der Linken-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko. Er plädierte für mehr parlamentarische Kontrolle.

Mehr Grenzkontrollen

Wo bisher die bloße Vorlage des Reisepasses genügte, sollen nun "sofort systematische und koordinierte Kontrollen" an den Außengrenzen stattfinden. Das läuft auf einen Abgleich der biometrischen Daten mit den gängigen Datenbanken hinaus - was die Wartezeiten an Flughäfen oder direkt an der Grenze verlängern dürfte. Deswegen soll die EU-Kommission in ihrem Gesetzesvorschlag bis Jahresende auch technische Neuerungen berücksichtigen. Eine Gesetzesänderung ist notwendig, da die herrschende Rechtslage eine systematische Kontrolle von EU-Bürgern auf Dauer verbietet. Die Brüsseler Behörde hatte sich lange dagegen gesperrt, da sie immer weitere Einschränkungen der Reisefreiheit in der EU befürchtet.

Die Verschärfung der Grenzkontrollen betrifft auch die Registrierzentren für Flüchtlinge etwa in Italien oder Griechenland. Dort soll verstärkt Polizei eingesetzt werden, in diesem Fall Experten von Europol.

Strengere Waffengesetze

Alle 28 EU-Staaten begrüßten, dass die EU-Kommission europaweit das Waffenrecht verschärfen will. Dabei geht es zum Beispiel um die Voraussetzungen für den Erwerb einer Waffe oder das Verbot des Onlinehandels. Für Deutschland brächte dies zufolge jedoch kaum Änderungen mit sich, da die Bundesrepublik bereits über eines der schärfsten Waffenrechte in Europa verfügt.

(RP)
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