Kolumne Politisch Inkorrekt Sogar Uli Hoeneß hat Persönlichkeitsrechte

Staatsanwaltschaft und Ermittler wollen herausfinden, wer interne Unterlagen aus der Steuerakte von Uli Hoeneß an die Presse weitergegeben hat. Ein kleiner Schritt dahin, auch einmal Persönlichkeitsrechte prominenter Angeklagter zu schützen.

Steuerhinterziehung ist in Deutschland eine Straftat. Die Verletzung des Steuergeheimnisses auch. Insofern hat Bayern-Präsident Uli Hoeneß richtig gehandelt, als er Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt hat, nachdem persönliche und somit vertrauliche Steuerunterlagen von ihm an Medien weitergegeben worden sind. Kaum ein Thema erregt in diesem Land die Öffentlichkeit so sehr wie die Verletzung des Schutzes von Daten und Persönlichkeitsrechten eines jeden Bürgers. Doch bei Personen des öffentlichen Lebens nimmt man es nicht so genau damit — und viele Mitbürger schwelgen auch noch in diesem Voyeurismus. Da ist einer bekannt, berühmt, vielleicht sogar wohlhabend, und wenn er dann bei etwas Illegalem erwischt wird, gibt man ihn zum Abschuss frei.

Das kommt immer wieder vor, und es betrifft keineswegs nur Steuersünder. Denken Sie an den früheren Post-Chef Klaus Zumwinkel, der später wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Als 2008 Staatsanwaltschaft und Polizei sein Haus durchsuchen wollten, standen die ersten TV-Übertragungswagen im Morgengrauen bereits drehfertig vor Zumwinkels Anwesen, noch bevor die Beamten anrückten. Oder denken Sie an die Prozesse gegen die Fernseh-Promis Andreas Türck und Jörg Kachelmann, beide wegen Vergewaltigung angeklagt. Und beide freigesprochen. Jedes Detail über Leben und sexuelle Vorlieben, Einzelheiten aus den Ermittlungsakten wurden vor Millionen Lesern und Zuschauern ausgebreitet.

Hat die Öffentlichkeit tatsächlich das Recht, das alles zu erfahren, nur weil jemand prominent ist? Können die Betroffenen nach einem Freispruch ihr vorheriges privates und berufliches Leben weiterführen? Die Liste Prominenter, deren Persönlichkeitsrechte bei staatlichen Verfahren mit Füßen getreten wurden, ließe sich mühelos fortsetzen, angefangen bei Peter Graf bis zuletzt bei Ex-Bundespräsident Christian Wulff, dessen Strafverfahren mehr und mehr zur Farce wird.

Wenn wir ein Land sein wollen, in dem die Rechte eines jeden Bürgers gleich viel wert sind, dann darf es diese Art öffentlicher Hinrichtungen nicht mehr geben. Die Medien sollten sich größere Zurückhaltung auferlegen, und all die politischen Aktivisten, die bei jeder Fotokopie, die versehentlich aus dem Fenster einer Versicherungsgesellschaft geweht wird, von "Skandal" fabulieren, täten gut daran, sich auch einmal mit der Verletzung der Persönlichkeitsrechte Prominenter in der Bundesrepublik Deutschland zu beschäftigen.

Selbst wenn es dabei ja nur um sogenannte reiche Leute geht.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de "Politisch inkorrekt — Texte gegen den Strom", Klaus Kelles Kolumnen als Buch (12,95 Euro). Bestellung: 0800 7727773 (Mo-Fr, 8—16 Uhr) oder www.rp-shop.de.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort