Koalitions-Streit „Soli“: Schäuble bietet den Ländern sieben Milliarden

Berlin · Nach der Kehrtwende der Union, die den Solidaritätszuschlag ab 2020 abschmelzen will, hat Finanzminister Schäuble ein neues Konzept aus dem Hut gezaubert, das den Ländern ihre Finanzen sichern soll.

Union und SPD wollen ihren Streit um den Solidaritätszuschlag mit einem Griff in den Bundeshaushalt beilegen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unterbreitete den CDU-Ministerpräsidenten gestern Abend einen Plan B, wie die Länder auch ohne Einnahmen aus dem "Soli" ihre Finanzen in Zukunft sichern können.

Schäuble habe den Ländern eine Finanzspritze von sieben Milliarden Euro aus dem Bundesetat in Aussicht gestellt, hieß es in Kreisen der Unionsländer. Diese Summe könnte unter anderem über eine Neuverteilung der Umsatzsteuerpunkte zwischen Bund und Ländern an die Länder fließen. Zudem sei im Gespräch, den sogenannten Umsatzsteuer-Vorwegausgleich abzuschaffen. Dies war ein Vorschlag des Landes Nordrhein-Westfalen, der aber bisher von keinem anderen Bundesland unterstützt worden war. Nachdem nun aber die Länder nicht mehr auf die "Soli"-Einnahmen setzen können, gewinnt der NRW-Vorschlag aus Sicht anderer Länder an Charme. Eine Abschaffung des Vorwegausgleichs würde allein das klamme NRW um jährlich etwa 900 Millionen Euro entlasten.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihrem Finanzminister Norbert Walter-Borjans (beide SPD) geht es nicht nur um die Sicherung der Milliarden für die Länder, sondern auch um eine Neuverteilung untereinander: "Ein Ausgleichssystem, bei dem NRW weiter als Almosenempfänger am Pranger steht, obwohl das Land Jahr für Jahr eineinhalb Milliarden an andere abgibt und an Fördermitteln weit unterdurchschnittlich teilhat, wird es mit uns definitiv nicht mehr geben", sagte Walter-Borjans.

Die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen steht unter Zeitdruck. Bis Juni muss eine Einigung gelingen, um die Reform unter Dach und Fach zu bringen, bevor 2016 und 2017 die Länder und die große Koalition in Berlin durch Wahlkämpfe gelähmt sind.

"Ich bin optimistisch, dass wir einen Bund-Länder-Kompromiss finden, der alle Seiten zufriedenstellt, auch wenn der ,Soli' langsam abgesenkt werden sollte", sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Er bestätigte: "Bundesfinanzminister Schäuble hat uns eine Art Plan B vorgelegt. Die Länder können demnach ab 2020 anderes zusätzliches Geld vom Bund erwarten, damit die Neuordnung gelingt. Das könnte unter anderem über eine Erhöhung der Bundesergänzungszuweisung oder eine andere Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern funktionieren."

Schäubles Plan lag den SPD-geführten Ländern bis gestern Nachmittag noch nicht vor. Sie verschärften daher am Rande der Bundesratssitzung in Berlin den Druck auf die Bundesregierung, den Ländern einen Alternativ-Vorschlag zur Finanzierung von Länder-Aufgaben ab 2020 zu unterbreiten. "Wir warten auf einen Alternativ-Vorschlag der Union. Bisher haben CDU/CSU den Ländern nichts Belastbares auf den Tisch gelegt", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). "Wenn man ernsthaft über die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs reden will, braucht man echtes zusätzliches Finanzvolumen. Da reden wir über Milliarden-Beträge, andernfalls werden ärmere Länder in große Schwierigkeiten gebracht", sagte Weil.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vergangene Woche dem Plan Schäubles, den Solidaritätszuschlag ab 2020 in die Einkommensteuer einzubauen und die Abgabe damit dauerhaft zu erhalten, eine Absage erteilt. Diese Option habe sich damit endgültig erledigt, hieß es in Länderkreisen. Auch Schäubles Sprecher vollzog den Schwenk und betonte gestern, Schäuble werde ein stufenweises Abschmelzen des "Soli" als Gesprächsbasis nutzen.

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der gemeinsam mit Schäuble die Idee ersonnen hatte, den "Soli" in die Einkommensteuer zu integrieren, wollte sich gestern nicht äußern. Vonseiten der SPD-Länder war aber zu hören, man werde sich nicht gegen Merkels Entscheidung stemmen, sofern der Bund ab 2020 einen Ersatz für die bereits fest einkalkulierten "Soli"-Milliarden liefert.

Die Wende der Union in der Frage des Solidaritätszuschlags, die auf Drängen des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) zustande kam, stürzte die große Koalition in eine Vertrauenskrise. Zwar hatte Merkel schon früher dem Schäuble-Scholz-Plan eine Absage erteilt. Dass der Solidaritätszuschlag gleich abgeschafft werden soll, ist aber überraschend. Der "Soli" soll ab 2020 in Jahresschritten von 0,5 Prozentpunkten bis 2030 auf null sinken. Dadurch werden die Steuerzahler entlastet.

(mar / qua)
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