Mensch und Maschine Soziale Roboter auf dem Vormarsch

Düsseldorf · Forscher arbeiten unter Hochdruck an sozialen Robotern. Sie sollen echte Gefährten werden, sogar eigene Persönlichkeit entwickeln. So schwindet die Differenz zwischen Mensch und Maschine. Das wirft ethische Fragen auf.

Sie werden uns immer ähnlicher. Lange waren Roboter nützliche Werkzeuge. Sie haben die Industrie revolutioniert, den Menschen von stupiden Tätigkeiten erlöst und gelernt, an gefährlichen Orten wie dem Weltraum oder in radioaktiv verseuchten Gegenden miteinander zu kooperieren. Aber sie waren Apparate, hochentwickelte Rechenmaschinen mit mechanischen Körpern. Verlässlich, robust, ohne Empathie. Verwechslung mit dem Menschen: ausgeschlossen.

Das wird sich ändern. Längst haben die Entwickler ein neues Arbeitsfeld aufgetan: die soziale Robotik. Die Maschinen neuer Generation lernen Mimik und Körpersprache des Menschen zu lesen, seine Alltagssprache zu verstehen und vor allem: sinnvoll zu reagieren. Soziale Roboter sollen Leben ins Altenheim bringen, Kinder beim Spracherwerb unterstützen, den Haushalt schmeißen. Sie sollen Gefährten des Menschen werden, Partner, nicht Werkzeuge, und dazu selbst Erfahrungen machen, Emotionen erlernen, eine Persönlichkeit entwickeln.

Dafür steht Forschungsgeld bereit, denn wenn Roboter nach den industriellen Arbeitsfeldern nun auch die sozialen erobern, könnte das Einsparpotenzial erneut gigantisch sein. Also wird in zahlreichen Anwendungsgebieten getüftelt. In England etwa arbeiten Wissenschaftler an Robotern für die Therapie autistischer Kinder. In Japan ist Roboter-Seehund Paro im Einsatz. Dank seines Airbag-Innenlebens ist er recht knuffig und animiert Bewohner im Altenheim nachweislich zu mehr Kommunikation.

In Deutschland ist die Skepsis gegenüber scheinbar lebendigen Maschinen noch größer, doch arbeiten Forscher unter Hochdruck daran, Robotern menschliches Verhalten beizubringen. So wird an der Uni Bielefeld an einem Maschinen-Lehrer gebaut, der Einwandererkindern beim Deutschlernen helfen soll. Nao ist nur 60 Zentimeter groß, ein niedliches Spielzeug, aber er kann sehen, hören und bald auch die Stimmungslage seines Gegenübers einschätzen — und auf Unlust reagieren. In Freiburg wird an Fritz getüftelt, einem Gestell mit Comicgesicht, das Blickkontakt aufnehmen und die Mundwinkel sinken lassen kann, wenn man sich von ihm abwendet. Demnächst soll Fritz durchs Museum führen und merken, wenn seine Zuhörer sich langweilen.

Die Roboter der neuen Generation werden sich nützlich machen. Allerdings wirft das ethische Fragen auf. Denn der Mensch neigt ohnehin dazu, Maschinen menschliche Eigenschaften zuzusprechen. Darum spricht er mit seinem Auto oder Computer, füttert das Tamagotchi. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis Menschen sich in ihre Haushaltsgefährten oder Therapieroboter verlieben und keinen Unterschied mehr empfinden zwischen Mensch und Maschine.

Im Film wird das schon lange durchgespielt. Von der Maschinen-Maria in "Metropolis" bis zum verführerischen Betriebssystem Samantha in "Her" reichen die Fantasien — oder vielmehr Dystopien, denn die Vorstellung, Maschinen könnten menschliches Verhalten perfekt imitieren und damit zu Superwesen mutieren, die dem Menschen überlegen sind, löst Ängste aus. In der Wissenschaft ist das Phänomen als "Uncanny Valley", als "unheimliches Tal" bekannt: Mit wachsender Ähnlichkeit wächst das Vertrauen des Menschen zum Roboter, wird er aber zu ähnlich, ruft das Befremden hervor. Die Forscher in Bielefeld etwa zielen darum gar nicht auf totale Menschenähnlichkeit ihres Hilfslehrers, Nao soll erkennbar Roboter bleiben.

"In 20 Jahren wird man Roboter haben, die wirklich unter uns leben, mit denen wir reden, die wir lieben", sagt Oliver Bendel, einer der führenden Maschinenethiker, der in der Schweiz lehrt. Allerdings glaubt er, dass das Gefühlsleben dieser Maschinen hinter dem des Menschen zurückbleiben wird. Roboter könnten sich zwar immer mehr abschauen von Menschen auf der Straße oder Dialogen im Fernsehen und sogar rudimentäre Handlungsintentionen entwickeln. Doch sie hätten eben keinen freien Willen, kein Bewusstsein. Darum hält er es auch nicht für notwendig, der Forschung bei der Gestaltung von Maschinen Grenzen zu setzen. "Man könnte aber Verfremdungseffekte vorsehen, frei nach dem Theater von Brecht", sagt Bendel, "der Roboter hält inne und betont, dass er nur eine Maschine ist." Solche V-Effekte könnten bei heiklen Aufgaben sinnvoll sein, in vertraulichen Gesprächen oder vor dem Sex. Denn auch in diesem Lebensbereich werden Roboter wohl eine Rolle spielen, wenn sie erst mal den Sprung vom Fließband in den Alltag des Menschen geschafft haben.

In Fachkreisen kursieren in Abständen Aufrufe, etwa Sexroboter zu verbieten oder autonome Kampfroboter zu ächten wie chemische oder biologische Waffen. Dahinter steht die Befürchtung, autonome Systeme könnten außer Kontrolle geraten, Roboter die Herrschaft übernehmen. Und in der Tat ist der menschliche Alltag schon jetzt so abhängig von Computersystemen, dass ein simples "Steckerziehen" wohl keine Option mehr wäre. Realistischer als die Herrschaft der Roboter ist aber wohl, dass einzelne Menschen intelligente Systeme für ihre Zwecke missbrauchen.

Außerdem findet die Versklavung des Menschen durch die Maschine längst statt. Bendel spricht vom "Mensch-folgt-Maschine-Prinzip". Zu erleben ist es am Fahrkartenautomaten, am Kundentelefon, beim Kauf eines Mobiltelefons, das eingerichtet werden will. Diese Unterjochung geschieht ohne jedes Kampfgetöse. Und ist sehr effektiv.

(dok)
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