Leistungsempfänger in USA halbiert Sozialhilfe in Amerika: Fünf Jahre Frist - und Schluss

Düsseldorf (rpo). Die Statistik der amerikanischen Sozialhilfereform liest sich beeindruckend. Doch ist das Land wirklich so fortschrittlich? Demetar Nightingale beschäftigt sich seit 28 Jahren mit dem Thema Armutsbekämpfung. Über das neue Gesetz zur Senkung der Sozialhilfe-Empfänger sprach er mit RP-Korrespondent Thomas Spang.

War das Gesetz ein Erfolg?

Nightingale : Oh je, diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Allein nach der Statistik beurteilt ja. Allerdings zeigen die meisten Untersuchungen, dass der Rückgang mehr mit der boomenden Wirtschaft als mit der Reform selbst zu tun hat. Erstmals seit Beginn der "Welfare"-Leistungen 1935 gibt es eine Begrenzung der Leistungen durch den amerikanischen Bundesstaat. Nach fünf Jahren ist Schluss. Danach müssen die Einzelstaaten sehen, was sie mit den Härtefällen machen. Die Bundesregierung stellt einen pauschalen Betrag von 16,8 Milliarden US-Dollar zur Verfügung. Die Einzelstaaten entscheiden, wie die Mittel eingesetzt werden. Die große Frage lautet nun: Was passiert, wenn die ersten "Welfare-Empfänger" die Fünfjahres-Grenze erreicht haben? Die meisten Staaten haben das Problem nämlich verdrängt.

Hat der amerikanische Staat durch die Reform gespart?

Keinesfalls. Das war auch nicht das Ziel. Auf der lokalen Ebene sind die Direktzuwendungen zurückgegangen. Dafür müssen die Staaten jetzt sehr viel mehr Geld ausgeben, um das zu ermöglichen, was sie von den ehemaligen Hilfeempfängern erwarten. Da 90 Prozent aller Betroffenen allein erziehende Mütter mit mindestens zwei Kindern sind, muss der Staat Kinderbetreuung finanzieren, Transport zum Arbeitsplatz, usw.

Welche Erkenntnisse gibt es über die ehemaligen "Welfare"-Empfänger, die einen Arbeitsplatz gefunden haben?

Sie leben weiterhin in extrem unsicheren Verhältnissen. Nur ein knappes Drittel kann aus eigener Kraft genügend erwirtschaften, um über das Armutsniveau zu kommen. Mit Stundenlöhnen zwischen sechs und sieben Dollar bleiben sie weiterhin auf Hilfen des Staates angewiesen: die negative Einkommenssteuer, was eine Art Lohnzuschuss über das Finanzamt ist, sowie Lebensmittelkarten, Wohnungshilfe und die Krankenversicherung für die Armen. Zudem rotiert etwa die Hälfte nach durchschnittlich einem Jahr wieder zurück in die Sozialhilfe. Rein und raus. Das ist eine sehr typische Erfahrung. Die meisten enden als "working poor" im Niedriglohnbereich ohne Perspektive auf einen echten Aufstieg.

Dabei besagt das amerikanische Ideal doch, dass, wer hart arbeitet, auch belohnt wird?

In der Theorie! Praktisch gesehen müssen zwei Arbeitsmärkte unterschieden werden: der klassische Arbeitsmarkt und der Niedriglohn-Sektor, der sich in den neunziger Jahren herausgebildet hat. Alle Studien, die mir bekannt sind zeigen, dass die Armutsfalle jetzt im Niedriglohn-Sektor zuschnappt. Denn während überall sonst in den neunziger Jahren höhere Löhne und Gehälter gezahlt wurden, ging die Bezahlung in diesem Sektor um 25 Prozent zurück. Es führt kein Weg an der Einsicht vorbei, dass auf diesem zweiten Arbeitsmarkt Minderheiten benachteiligt, um nicht zu sagen diskriminiert werden.

Was müsste denn geschehen, um arbeitenden Menschen, die nicht genügend verdienen, um ihre Familien zu ernähren, eine Perspektive zu bieten ?

Das bleibt die eigentliche Frage. Aus meiner Perspektive sind die Voraussetzungen nun günstiger, da es in den USA eher akzeptiert wird, Leute zu unterstützen, die arbeiten. Die Formel lautet "Arbeit und Ausbildung". Denn nur durch Qualifikation ist der Aufstieg aus dem Niedriglohn-Sektor möglich. Sorge bereitet mir, was passiert, wenn sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert.

(RPO Archiv)
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