Spanien: Militär beendet Lotsenstreik

Die Regierung in Madrid hat den Notstand ausgerufen und damit das Chaos bei Flügen von und nach Spanien eingedämmt. Die Flugüberwachung soll noch 15 Tage unter Armeekommando stehen. Grund des Protests: Die Regierung will sparen und die Einkommen der Fluglotsen beschränken.

Madrid/Düsseldorf Der wilde Streik der spanischen Fluglotsen ist seit gestern offiziell beendet. Doch die Auswirkungen im internationalen Flugverkehr werden noch einige Zeit zu spüren sein. Die Verluste werden in dreistelliger Millionenhöhe veranschlagt. Medienberichten zufolge werden die Schäden des Streiks, der am Freitag begonnen hatte, auf rund 350 Millionen Euro beziffert. Die Fluggesellschaften rechnen mit mehr als 100 Millionen Euro.

Ein Sprecher der Lufthansa erklärte, die Gesellschaft fliege wieder Spanien an. Es könne aber noch zu Verspätungen kommen. Auch Air Berlin hatte unter Verspätungen zu leiden. Gestern setzte die Fluggesellschaft acht Sonderflüge an, um gestrandete Urlauber nach Deutschland zu fliegen. Von den Auswirkungen des wilden Streiks waren insgesamt rund 300 000 Passagiere betroffen, darunter 14 000 deutsche Urlauber. 4000 Flüge waren ausgefallen.

Das Ende des Ausstandes war nur möglich, weil die Regierung unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Jose Luis Rodriguez Zapatero den Notstand für Spanien (der erste seit der Franco-Diktatur) ausgerufen und das Militär angewiesen hatte, die Luftraumkontrolle zu überwachen. Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba forderte die Streikenden auf, unverzüglich die Arbeit wieder aufzunehmen, anderenfalls drohten ihnen Prozesse wegen Ungehorsams vor militärischen Strafgerichten.

Der Innenminister kündigte an, die Fluglotsen würden noch 15 Tage unter Militärkommando arbeiten, es solle so sicher gestellt werden, dass es über die Weihnachtsfeiertage keine Streiks geben werde. Einige Fluglotsen erklärten, sie seien mit vorgehaltener Waffe zum Arbeiten gezwungen worden, was der Innenminister bestritt. Auch sei ihnen mit Haft gedroht worden. Bisher wurden 440 Disziplinarverfahren gegen Lotsen eingeleitet.

Spanien durchlebt eine schwere Krise. Rund 20 Prozent Arbeitslosigkeit, kein Wirtschaftswachstum und der weitgehende Zusammenbruch der Bauindustrie, in der bislang jeder fünfte Arbeitsplatz entstand, zwingen die Regierung zu drakonischen Sparmaßnahmen. Den Banken, die den Bauboom mit günstigen Zinsen gefördert hatten, droht nun, auf den Krediten sitzenzubleiben. Immer wieder wird Spanien als Kandidat genannt, der demnächst unter den Rettungsschirm der EU schlüpfen könnte. Die Regierung in Madrid weist alle Spekulationen über drohende Zahlungsschwierigkeiten zurück.

Die Mehrwertsteuer wurde inzwischen von 16 auf 18 Prozent erhöht. Die Tabaksteuer wird zum Jahresbeginn erhöht. Auf diese Weise sollen rund 800 Millionen Euro mehr in die Kassen kommen, um Steuererleichterungen für kleine und mittlere Betriebe und Ausbildungsprogramme für Arbeitslose finanzieren zu können.

Ein Teil des Sparpaketes, mit dem Zapatero 50 Milliarden Euro im Staatshaushalt einsparen will, betrifft auch die Fluglotsen, die gehörige Gehaltseinbußen hinnehmen sollen. So hatte die Regierung am Freitag beschlossen, deren maximale Arbeitszeit auf 1670 Stunden im Jahr festzuschreiben. Die Gewerkschaft kritisierte, damit würden Krankheitstage nicht mehr als Arbeitszeit gerechnet.

Die spanischen Fluglotsen sind die bestbezahltesten in Europa. Ihr Verdienst von bislang rund 340 000 Euro im Jahr soll laut Regierungsplänen künftig bei 200 000 Euro liegen. Das wäre immer noch knapp das Zehnfache des spanischen Durchschnittsverdienstes. Das Land verfügt über 2300 Fluglotsen, von denen rund 90 Prozent in den nicht angekündigten Streik getreten waren.

(Rheinische Post)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort