Berlin SPD-Fraktionschef gerät ins Abseits

Berlin · Thomas Oppermann gilt durch die Edathy-Affäre zunehmend als angeschlagen. Immer wieder muss er sich erklären, bald auch als Zeuge im Untersuchungsausschuss. Für ihn ist das ein Tiefpunkt. Er wollte doch mal Minister werden.

Wer eitel ist und von sich überzeugt, sich vielleicht für unfehlbar und ganz sicher für sehr mächtig hält, dem kann es nicht gefallen, öffentlich in die Defensive zu geraten. Doch genau dort befindet sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann nun schon seit einem knappen Jahr. Durch sein Verhalten in der Kinderporno-Affäre um den früheren SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy gilt Oppermann seit Februar 2014 als angeschlagen. Aber wird er darüber am Ende auch stolpern?

Hintergrund der Verstrickungen ist das Vorgehen Oppermanns am 17. Oktober 2013. Mitten in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD erreichte ihn die Information, dass gegen Edathy wegen des möglichen Besitzes kinderpornografischer Bilder strafrechtlich ermittelt werden könnte. Oppermann erfuhr das von SPD-Chef Sigmar Gabriel, der wiederum wurde vom damals noch als Innenminister amtierenden Hans-Peter Friedrich (CSU) informiert.

Was dann folgt, räumt Oppermann später öffentlich nicht etwa als Fehler ein - das hätte nicht gepasst ins Bild des Unfehlbaren: Oppermann (nach eigenen Angaben "fassungslos und schockiert") greift noch am Nachmittag des 17. Oktober zum Telefon und ruft den Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, an. Er habe die Informationen einordnen wollen, begründet Oppermann den Anruf. Doch Ziercke wittert das Risiko, sich strafbar zu machen, und lässt Oppermann abblitzen - ohne Dementi, ohne Kommentar. Oppermann hingegen versteht das Schweigen Zierckes als Zustimmung und gibt am 13. Februar 2014 eine folgenschwere Pressemitteilung heraus: Darin offenbart er, dass Minister Friedrich SPD-Chef Gabriel über den Fall Edathy informiert habe und dass er, Oppermann, sich die Informationen von Ziercke habe bestätigen lassen. Ziercke dementiert das umgehend, Friedrich aber muss wegen möglichen Geheimnisverrats als Minister zurücktreten. Am 19. Februar 2014 erklärt sich Oppermann dazu: "Mir tut es aufrichtig leid, dass aufgrund meiner Veröffentlichung Herr Friedrich sein Ministeramt aufgeben musste." Er selbst bleibt im Amt, an Rücktritt denkt er nicht. Die CSU hat mit ihm seitdem noch eine Rechnung offen.

Unbestritten aber ist Oppermann ein politisches Talent. Der 60-Jährige kann organisieren, Mehrheiten schaffen, hat den Instinkt für Themen und genug Ehrgeiz, sich auch aus der zweiten Reihe Gehör zu verschaffen. Zudem spricht Oppermann druckreif, nimmt dafür mal zwei Anläufe, so dass seine Formulierungen stets passen. Die sind messerscharf, präzise, gerne ironisch. Für Journalisten ist er deswegen ein beliebter Zitatgeber. Und das half dem gebürtigen Westfalen beim politischen Aufstieg.

Der begann 1980 mit Oppermanns Eintritt in die SPD. Als Jura-Student im niedersächsischen Göttingen übte er schon 1979 den politischen Meinungskampf gegen andere Talente. Jürgen Trittin war damals Präsident des dortigen Studentenparlaments. 1990 schaffte Oppermann, mittlerweile Richter, den Sprung in den niedersächsischen Landtag, wurde 1998 als Wissenschaftsminister ins Kabinett von Gerhard Schröder (SPD) berufen. Seit 2005 sitzt Oppermann im Bundestag, stieg in der SPD-Fraktion zu deren Chef auf - und glaubte nach der Wahl 2013 an den Ministerposten im Innen- oder Justizressort. Doch der blieb ihm verwehrt.

Die Funktion des Fraktionschefs wollte er eigentlich nicht. Oppermann gilt intern als schroff, eitel, extrem machtbewusst. Gestalten kann er in der Position kaum, und nun wächst auch noch der Druck auf ihn wegen der Edathy-Affäre.

Schon bald wird sich Oppermann als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss verantworten müssen. Sollte er im Zuge der Aufklärungsarbeit der Lüge überführt werden, könnte er noch über die Affäre stürzen. Bisher scheint ihm das zwar nicht zu drohen. Doch die Union, allen voran die CSU, wird sehr genau hinsehen, welche Figur Oppermann künftig abgeben wird. Gerät er durch die Affäre weiter ins Abseits, dürfte für ihn der Traum vom Ministeramt endgültig geplatzt sein.

(jd)
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