Wiesbaden SPD in Hessen liebäugelt mit Linkspartei

Wiesbaden · Gestern fand das letzte von vier Sondierungsgesprächen zwischen CDU und SPD statt. In Wiesbaden machten Spekulationen die Runde, SPD-Chef Schäfer-Gümbel könne sich zum Chef einer Minderheitsregierung wählen lassen.

Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel kam vom SPD-Bundesparteitag in Leipzig mit erhobenem Haupt zurück: Er hatte bei seiner ersten Kandidatur als SPD-Bundesvize 88,9 Prozent Ja-Stimmen bekommen — mehr als die anderen Stellvertreter Sigmar Gabriels, vor allem mehr als die politisch gewichtige Hannelore Kraft aus NRW, die es auf 85,6 Prozent gebracht hatte.

Um so mehr ärgerte es "TSG", wie Schäfer-Gümbel in Wiesbaden genannt wird, dass seine Chancen, bald hessischer Ministerpräsident zu werden und den Amtsinhaber Volker Bouffier (CDU) abzulösen, zuletzt als "gegen null" prognostiziert wurden. So sind die von Hessens SPD-Generalsekretär Michael Roth im Einvernehmen mit Schäfer-Gümbel lancierten Spekulationen zu erklären, es gebe für "TSG" durchaus noch eine realistische Option fürs Regieren: nämlich die geheime Wahl am 18. Januar mit den Stimmen von SPD und Grünen sowie Stimmen aus den jeweils sechsköpfigen Fraktionen von Linkspartei und FDP. Als so gewählter neuer Ministerpräsident könnte Schäfer-Gümbel sodann gemeinsam mit den Grünen eine Minderheitsregierung bilden, deren politische Vorhaben von Fall zu Fall von Linken und/oder Liberalen im Parlament gestützt werden müssten. Pfiffiger Nebeneffekt aus Schäfer-Gümbels Sicht: Die indirekt eingebundene FDP, die es bei der Hessen-Wahl mit 5,03 Prozent denkbar knapp in den Landtag schaffte, könnte im Laufe der Legislaturperiode doch noch für eine "Ampel"-Koalition, bestehend aus SPD, Grünen und Liberalen, gewonnen werden.

In der CDU blieb man gestern auffallend gelassen. Ein Grund ist, dass sich CDU und Grüne womöglich bei ihren vier Sondierungsrunden bereits so nahe gekommen sind, dass eine schwarz-grüne Regierung in Sichtweite ist. Ein anderer Grund liegt in der Person Schäfer-Gümbels. Er ist kein politischer Hasardeur. Es wäre für ihn sehr riskant, sich darauf zu verlassen, am 18. Januar auch tatsächlich gewählt zu werden (SPD, Grüne, Linke haben nur zwei Mandate über der nötigen absoluten Mehrheit — und was die FDP-Abgeordneten tun, ist nicht kalkulierbar). Auch die Grünen zeigen sich reserviert. Noch Anfang des Monats plädierte ein Parteirat gegen Minderheits- und Tolerierungsmodelle und für stabile, auf fünf Jahre angelegte Koalitionen.

Aus der FDP, die noch mit Bouffier regiert, ist zweierlei zu hören: Man habe einerseits den hessischen Wählern vor dem Wahltag versprochen, nur mit der Union eine Regierung zu bilden. Die Zusage müsse aus Gründen der Glaubwürdigkeit auch unter neuen politischen Bedingungen unbedingt eingehalten werden. Andererseits sei der FDP inzwischen klar, dass ihr die Treueschwüre pro CDU überhaupt nicht genützt haben. Im Gegenteil. Außerdem sähen es viele in der FDP aufgrund von Verletzungen durch den Noch-Koalitionspartner CDU nicht ungern, wenn Bouffiers Zeit als Ministerpräsident zu Ende ginge. In Wiesbaden wird aufmerksam registriert, dass sich SPD und FDP in dieser Woche treffen wollen, angeblich, um ganz allgemein die politische Lage zu erörtern und nicht, um rot-grün-gelbe Koalitionsmöglichkeiten zu sondieren.

Am späten Abend wurde "TSG" die Diskussion dann offenbar doch zu viel. Die Ampel sei nicht machbar, sagte er nach einem kleinen Parteitag in Frankfurt. Auch den Plan, per Minderheitsregierung zu regieren, kassierte er. Grund sei, dass die Grünen sich gegen eine solche Konstellation ausgesprochen hätten. Möglich seien aus Sicht der SPD-Spitze ein rot-grün-rotes Bündnis, eine Koalition mit der CDU oder der Gang in die Opposition. Welche Möglichkeit die SPD wählen werde, soll nun in ihren 26 Unterbezirken diskutiert werden.

(RP)
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