SPD-Parteitag Die Wegbereiter einer neuen großen Koalition

Berlin · Die SPD berät in Berlin, ob sie noch einmal in ein Bündnis mit der Union geht. Dabei geht es auch um die Zukunft von Martin Schulz als Parteichef.

 Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (l.) und SPD-Chef Martin Schulz (Archiv).

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (l.) und SPD-Chef Martin Schulz (Archiv).

Foto: dpa, jst hpl

Zum Hoffnungsträger wird man in der SPD schnell. Als der eher unscheinbare Stephan Weil nach einer furiosen Aufholjagd die Landtagswahl in Niedersachsen gewinnen und damit seinen Posten als Ministerpräsident verteidigen konnte, wurde er in und außerhalb der SPD gleich als Alternative zu Parteichef Martin Schulz gehandelt.

Nun ist der Niedersachse an sich nicht der Typ, der leicht entflammbar wäre. Bei Weil kommt hinzu, dass er zu den wenigen Politikern gehört, die mit Distanz und Humor auf die eigene Rolle blicken können. Weil war klug genug, das kleine Parteichef-Feuerchen auszutreten, ohne diese Option für immer auszuschließen.

Für Schulz war Weils Rückendeckung ausschlaggebend, dass der SPD-Parteitag heute ohne ernsthafte Debatte um seine Position starten kann. Noch einmal 100 Prozent Zustimmung bei der Wahl zum Parteichef wird Schulz nicht erreichen können. Das erwartet auch niemand. Ob er aber ein Ergebnis in den 90ern, in den 80ern oder gar nur in den 70ern hat, ist entscheidend für seine künftige Autorität. Schulz Wahlergebnis wird allerdings nicht nur davon abhängen, wie zufrieden die Genossen aktuell noch mit ihm sind. Auch der Verlauf der für den Vormittag angesetzten Debatte um die Neuauflage einer großen Koalition wird eine große Rolle spielen.

Ein Basta-Typ ist Weil nicht

Dass Weil zum glücklosen Parteichef steht, stabilisiert auch den vorsichtigen Kurs in Richtung große Koalition, den die SPD seit Montag eingeschlagen hat. Der niedersächsische Ministerpräsident, der selbst in Hannover gerade ein Bündnis mit der Union geschmiedet hat, soll intern davor gewarnt haben, nach dem Jamaika-Aus einen offiziellen Beschluss gegen den Eintritt in eine große Koalition zu fassen.

Der 58-jährige Jurist kommt aus der im Bund traditionell sehr stark vertretenen Niedersachsen-SPD. Wie der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder gehört er zu jenen, die sagen, die SPD könne mit dem Thema Gerechtigkeit allein keine Wahlen gewinnen. Aus seiner Sicht müssen die Menschen im Land auch darauf vertrauen, dass die Wirtschaft brummt, wenn ein Sozialdemokrat im Kanzleramt sitzt. Ein Basta-Typ ist Weil aber nicht. Vom Stil her geht er eher in Richtung Merkel: Er ist sehr pragmatisch. Man kann ihn unterschätzen. Nach außen wirkt er spröde, im kleineren Kreis punktet er mit Humor.

Beim Parteitag dürfte ihm die Rolle zufallen, die Tür für die große Koalition zu öffnen. Seine Gegner werden die Jusos sein. In ihrem Leitantrag versuchen sie, die Groko-Befürworter mit deren eigenen Argumenten zu schlagen. Die Jugendorganisation der SPD betont in dem Änderungsantrag für den Parteitag, Verantwortung zu tragen bedeute auch, Rechtsradikalen und Neofaschisten nicht die Oppositionsführerschaft im Deutschen Bundestag zu überlassen. "Gerade das ist vielmehr sogar eine historische Verantwortung, deren Teil die staatspolitische Verantwortung ist", heißt es in dem Antrag, der unserer Redaktion vorliegt.

Kühnert gegen große Koalition

Für Weil und andere Befürworter einer großen Koalition wird es nicht einfach werden, ihre Interpretation von "staatstragender Partei" gegenüber der der Jusos zu vertreten. Juso-Chef Kevin Kühnert gibt sich beinhart: "Wir können über alles sprechen, nur über eines nicht - eine große Koalition", sagte er unserer Redaktion.

Der niedersächsische Ministerpräsident schielt durchaus nach mehr Einfluss auf Bundesebene. Gerne hätte er sich um einen der beiden frei werdenden Parteivize-Posten beworben. Doch dann konnte sich - auch mit seiner Hilfe - der ebenfalls aus Niedersachsen stammende Lars Klingbeil als künftiger SPD-Generalsekretär durchsetzen. Da sprach dann die Regionalquote gegen Weil. Vor dem Hintergrund, dass die SPD immer wieder beteuert, sie wolle jünger und weiblicher werden, wäre er zudem der Falsche gewesen.

Für den Vize-Posten, den die frühere NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft am Abend der verlorenen NRW-Landtagswahl niederlegte, ist nun die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (56) vorgesehen. Den zweiten frei werdenden Vize-Posten soll die bayerische Landeschefin Natascha Kohnen (50) erhalten.

(jd/qua)
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