Parteitag in Berlin Schulz wirbt um Zustimmung für Groko-Verhandlungen

Berlin · SPD-Chef Martin Schulz hat die Sozialdemokraten um Entschuldigung für die Niederlage bei der Bundestagswahl gebeten, er trage dafür die Verantwortung. Dennoch bewarb er sich erneut für das Amt des Parteivorsitzenden - und warb für Groko-Verhandlungen.

 SPD-Parteichef Martin Schulz.

SPD-Parteichef Martin Schulz.

Foto: afp

Martin Schulz hat die SPD in Berlin auf die Erneuerung der Partei eingeschworen. Zum Abschluss seiner Rede auf dem Parteitag motivierte er die Sozialdemokraten, Verhandlungen über eine Neuauflage der großen Koalition zuzustimmen. Dazu brachte Schulz den entsprechenden Leitantrag der Parteispitze ein. "Lasst uns erst sehen, zu welchen Inhalten wir beitragen können, und dann entscheiden", sagte der SPD-Chef.

Dabei sollten die politischen Inhalte an erster Stelle stehen, es gebe "keinen Automatismus in irgendeine Richtung". Die Gespräche sollten ergebnisoffen bleiben, dafür gebe er seine Garantie: "Deshalb bitte ich Euch um Zustimmung zu diesem Leitantrag, der uns alle Wege offen hält, um ein Maximum an sozialdemokratischen Inhalten durchzusetzen."

Die SPD hatte sich nach ihrem schlechtesten Ergebnis bei einer Bundestagswahl im September dazu entschlossen, in die Opposition zu gehen. Nach dem Scheitern der fünfwöchigen Jamaika-Sondierungsgespräche soll diese Entscheidung nun auf dem Parteitag revidiert werden. Die Parteispitze schlägt den Delegierten vor, "ergebnisoffene" Gespräche mit der Union zu führen.

Neben der Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit der Union sind auch eine Tolerierung einer Minderheitsregierung und Neuwahlen möglich. Stimmt der Parteitag dem Antrag der Parteispitze zu, will Schulz nächste Woche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer sprechen.

Gegen eine neue große Koalition gibt es massiven Widerstand in der SPD. Die Jungsozialisten wollen beantragen, dass ein Regierungsbündnis mit der Union ausgeschlossen wird.

"Die Menschen nehmen uns nicht mehr als einen Teil von ihnen wahr"

Schulz rief zu einer Erneuerung der SPD auf: "Unser größtes Problem ist es, dass wir unser Profil verloren haben." Der SPD sei es vor der Bundestagswahl nicht gelungen, zu erklären, wofür sie stehe. "Die Menschen nehmen uns nicht mehr als einen Teil von ihnen wahr, sondern als Teil des Establishments." Die SPD müsse aber für die Menschen da sein. "Da müssen wir wieder hin zurück." Das werde die Aufgabe des neuen Parteivorstandes sein.

Leidenschaftlich bewarb Schulz sich in seiner Rede erneut für das Amt als Parteivorsitzender: "Wir müssen mit offenem Visier, mit klarem Blick, mit kühlem Verstand, mit Herz und Leidenschaft unser Land und die Partei voranbringen." Applaus und stehende Ovationen folgten. Erst im März war Schulz mit dem Rekordergebnis von 100 Prozent der Stimmen zum Nachfolger von Sigmar Gabriel gewählt worden. Nach der Niederlage im September muss er sich erneut dem Votum der rund 600 Delegierten stellen.

"Ich trage die Verantwortung"

Zuvor hatte der SPD-Chef für die Wahlniederlage im September verantwortlich gezeichnet: "Ich trage als Kanzlerkandidat die Verantwortung für dieses Wahlergebnis." Er wandte sich an alle, die der SPD vertraut und an sie geglaubt haben: "Bei all diesen Menschen bitte ich für meinen Anteil an dieser bitteren Niederlage um Entschuldigung." Die SPD hatte im September mit 20,5 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl bekommen.

Er habe privat und politisch schon "so manches Auf und Ab" hinter sich, sagte Schulz. "Aber so ein Jahr kann man nicht einfach abschütteln. So ein Jahr steckt in den Knochen." Er wisse, wie enttäuscht und wütend viele Menschen seien. "Ich kann die Uhr nicht zurückdrehen, liebe Genossinnen und Genossen, aber ich möchte als Parteivorsitzender meinen Beitrag dazu leisten, dass wir es besser machen."

Die Europäische Union möchte Schulz bis 2025 in die Vereinigten Staaten von Europa mit einem gemeinsamen Verfassungsvertrag umwandeln. Die EU-Mitglieder, die dieser föderalen Verfassung nicht zustimmen, müssten dann die EU verlassen. Schulz warb für ein solidarisches und entschlossenes Europa. "Nur ein entschlossenes Europa kann dem Klimawandel entgegentreten." Nur ein solidarisches Europa könne der asozialen Steuerflucht von Großkonzernen die Grenzen aufzeigen.

Es müsse ferner ein Europa der Bürger geben und weniger ein Europa der Regulierungen. Neben Investitionen in ein europäisches Wachstumsbudget sei außerdem ein europäischer Finanzminister notwendig. Denn Europa "ist unsere Lebensversicherung, im Wettbewerb mit anderen Regionen dieser Welt mitzumachen", sagte Schulz. Deutliche Worte fand er für die Europapolitik des ehemaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble: "Vier weitere Jahre deutscher Europapolitik à la Schäuble kann Deutschland sich nicht leisten."

(ate / vek)
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