Düsseldorf SPD: Schwarz-Gelb entzaubert sich

Düsseldorf · In seiner Oppositionsrolle schaltet SPD-Fraktionschef Römer auf Attacke und wirft der NRW-Regierung spektakuläre Wortbrüche vor.

Am Tag nach der Regierungserklärung hat die Opposition im Landtag Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) mangelnde Ambitionen, spektakuläre Wortbrüche und Überforderung vorgeworfen. "Die Entzauberung Ihrer Regierung hat längst begonnen", sagte Oppositionsführer Norbert Römer (SPD). Dazu habe Laschet auch mit seiner Regierungserklärung beigetragen. Schon drei Tage nach Nominierung des neuen Kabinetts habe Schwarz-Gelb eines der zentralen Wahlkampfversprechen gebrochen: für weniger Staus zu sorgen. Stattdessen hätten Laschet und sein Verkehrsminister Hendrik Wüst zugegeben, dass es mehr Baustellen gebe und vielleicht zehn Jahre brauche, bis die Zahl der Staus zurückgehe.

Laschet hatte seine Regierungserklärung unter das Motto "Maß und Mitte" gestellt und das Land auf große Umbrüche in den nächsten Jahren vorbereitet, etwa durch das Ende des Steinkohlebergbaus, den Brexit und die Digitalisierung.

Angesichts eines Nachtragshaushalts mit Milliardenschulden warf Römer CDU und FDP "Doppelmoral" vor, weil sie genau das an der Vorgänger-Regierung kritisiert habe. Scharf griff er Laschet wegen seiner Minister-Auswahl an. Die Berufung des Medienunternehmers Stephan Holthoff-Pförtner zum Medienminister und der Landwirtin Christina Schulze Föcking zur Landwirtschaftsministerin seien Ausdruck einer zweifelhaften Einstellung. Er frage sich, wie Laschet überhaupt dazu komme, jemanden mit einem Ressort zu betrauen, "wo er zwangsläufig gegen eigene Interessen verstößt". Holthoff-Pförtner wurde zwischenzeitlich von seiner Zuständigkeit für Medien entbunden.

Die geplante Abschaffung der Mietpreisbremse kritisierte Römer als "Politik der Entrechtung". Viele Menschen würden dadurch mit dramatischen Mieterhöhungen konfrontiert. Zugleich zog der SPD-Fraktionschef Laschets Anspruch in Zweifel, NRW im Bund zu neuer Bedeutung zu verhelfen. Das habe schon beim Diesel-Gipfel nicht geklappt: Zwar sei er "mit dem Schaumschläger in der Hand" nach Berlin gereist, für die Menschen habe er dort aber nichts herausgeholt. Dabei gehe es für viele um ihre berufliche Existenz.

Auch Fraktions-Co-Chef Arndt Klocke (Grüne) beklagte die "erstaunliche Mutlosigkeit" der Regierungserklärung vom Vortag. Das zögerliche Verhalten von CDU und FDP gegenüber der Elektromobilität erinnere ihn an die deutsche Energiedebatte vor 30 Jahren. "Damals haben Sie auch davor gewarnt, dass die Energiewende Arbeitsplätze vernichtet, dass in Deutschland die Lichter ausgehen werden und die regenerativen Energien maximal fünf Prozent zum Energiemix beitragen könnten", so Klocke. Ebenso peinlich würden die Argumente von CDU und FDP eines Tages im Rückblick auf die jetzt notwendige Verkehrswende sein. Klocke forderte "mehr Pioniergeist" ein.

AfD-Fraktionschef Marcus Pretzell kritisierte viele Vorhaben des schwarz-gelben Koalitionsvertrages. Die von Schwarz-Gelb vorgenommene Erhöhung der Planstellen für neue Polizeianwärter sei zu klein ausgefallen, in der inneren Sicherheit fehle die Schwerpunktsetzung, die neue Koalition trenne die Themen Asyl und Einwanderung nicht sauber genug voneinander, der Ausstieg aus dem Turbo-Abi sei zu halbherzig und die von Laschet angekündigte Erfassung des Unterrichtsausfalls an den Schulen sei eine Selbstverständlichkeit, die nicht weiter der Rede wert sei.

CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen verteidigte Laschets Regierungserklärung: "Der Leitgedanke der NRW-Koalition, eine Mentalität des Einstiegs zu fördern, statt immer neuer und absurderer Ausstiegsszenarien, ist gut und richtig", sagte Löttgen zu den Angriffen der Koalition, Laschet setze sich nicht entschlossen genug für den Ausbau der Elektromobilität ein.

Den gegen die Regierungserklärung erhobenen Vorwurf mangelnder Ambitionen gab Löttgen an die rot-grüne Vorgängerregierung zurück. SPD und Grüne hätten das Land "mit einem geradezu manischen Kontroll- und Zentralisierungswahn blockiert" und "den Anspruch aufgegeben, unser Land wieder auf einen der ersten Plätze zu führen".

Die CDU werde aber nicht antreten, "um in einer blinden Rückabwicklungswut jetzt alles infrage zu stellen, was Sie in sieben Jahren rot-grüner Regierung entschieden haben", versprach Löttgen. Auch die Kritik an den aktuell rückläufigen Zahlen bei etlichen Polizeibehörden ließ Löttgen nicht gelten: "Schon mal darüber nachgedacht, dass in den kommenden drei Jahren der Innenminister nur die Kräfte verteilen kann, die Rot-Grün eingestellt hat?"

FDP-Chef Christian Lindner eröffnete seine Rede mit einer Antwort auf Pretzell: "Sie haben bemängelt, dass unserer Koalition eine Vision fehlt. Wo ist denn Ihre?" Die Rede der AfD sei überraschend zahm ausgefallen. "Jeder CSU-Abgeordnete ist in der Zuwanderungspolitik schärfer als Sie hier", meinte Lindner, der seine voraussichtlich letzte Rede im Landtag hielt, bevor er wie angekündigt in die Bundespolitik wechselt.

Lindner betonte, der Anspruch sei, Nordrhein-Westfalen wieder in die Spitzengruppe der Bundesländer zu führen. Das könne nicht über Nacht geschehen. "Maß und Mitte" beschreibe dabei nur die Methode der neuen Landesregierung auf dem Weg dahin.

(RP)
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