Analyse Staat bekämpft Gefahr von Links

Berlin/Düsseldorf · Die bundesweite Razzia gegen Anhänger der linksautonomen Szene brachte augenscheinlich kaum Ergebnisse. Aber sie setzte ein Zeichen. Der Staat geht zunehmend robuster auch gegen linke Krawallmacher vor.

Analyse: Staat bekämpft Gefahr von Links
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Die Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg hatten gestern erneut ein Nachspiel. In acht Bundesländern durchsuchte die Polizei Wohnungen von 22 Beschuldigten. Allein in NRW wurden zehn Wohnungen durchsucht. Die Beamten fahndeten nach Hinweisen, wer am 7. Juli im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld Steine und andere Gegenstände auf Bundespolizisten warf.

Die Demonstrationen gegen den G20-Gipfel Anfang Juli waren übel eskaliert. 150 bis 200 vermummte radikale Gipfelgegner lieferten sich stundenlange Schlachten mit der Polizei, plünderten Geschäfte und zündeten Autos an. Die Polizei zählte rund 500 verletzte Polizisten. Die linksextremistischen Gewalttäter waren aus dem In- und Ausland angereist. Sie gelten als besonders gut vernetzt.

Die Razzia gestern im linksextremistischen Milieu war die größte seit Jahren. Insgesamt waren 583 Polizisten im Einsatz. Von Verhaftungen oder wesentlichen Funden wurde gestern allerdings nichts bekannt - was ungewöhnlich ist: Üblicherweise präsentiert die Polizei im Anschluss an solche Einsätze auch erste Erfolge. Im Umfeld der Sicherheitsbehörden hieß es gestern, möglicherweise sei die Szene vor den Razzien gewarnt worden. So soll es eine Twitter-Meldung gegeben haben, die vor bevorstehenden G20-Durchsuchungen gewarnt haben soll.

Wohl auch, weil der Erfolg der Razzien gestern unklar war, entbrannte eine Debatte um die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Verena Schäffer, sagte: "Erst Wochen nach dem G20-Gipfel mit bundesweiten Razzien Belege für Straftaten finden zu wollen, wirft Fragen auf." Warum so spät, fragte sich gestern nicht nur Schäffer: "Wir werden uns die Ergebnisse dieser Razzien sehr genau ansehen und prüfen, ob diese Ergebnisse das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden rechtfertigen."

Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) begrüßte die bundesweiten Durchsuchungen hingegen und forderte ein schärferes Vorgehen gegen Linksextremismus insgesamt. "Es ist gut, dass die Razzien bundesweit stattgefunden haben. Gegen den Linksextremismus muss genauso mit allen Mitteln vorgegangen werden, wie sie auch gegen andere extremistische Szenen wie Rechtsextremismus und Islamismus eingesetzt werden", sagte Krings unserer Redaktion.

Insgesamt seien einige Behörden im Kampf gegen den Linksextremismus in der Vergangenheit zu zurückhaltend gewesen. Um so furchtbare Taten wie während des G20-Gipfels in Hamburg zu vermeiden, müssten "selbstverständlich gegen die linksextremistische Szene sämtliche Möglichkeiten der Aufklärung eingesetzt werden - wie die Überwachung von Kommunikation und der Einsatz von V-Leuten".

Auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) unterstützte den Einsatz. "Auf dem linken Auge dürfen wir genauso wenig blind sein wie auf dem rechten", sagte Reul. Wer zu Gewalt greife, dem fehlten Argumente. "Die NRW-Sicherheitsbehörden gehen sehr entschieden und wo nötig auch sehr robust gegen gewaltbereite Linksextremisten vor."

Erst am Wochenende hatte der NRW-Innenminister eine deutliche Warnung an die Demonstranten im Hambacher Forst ausgesprochen, wo es zuletzt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Braunkohle-Gegnern und der Polizei gekommen war. Ein Teil der Demonstranten im Hambacher Forst wird ebenfalls der linksautonomen Szene zugeordnet, die dort gegen die Rodung des Waldgebietes demonstriert, die den Ausbau des Braunkohleabbaus vorbereiten soll. Auch ihnen drohte Reul mit einem robusten Polizeieinsatz. Im Umfeld des NRW-Innenministeriums hieß es gestern allerdings, zwischen den Hamburger G20-Demonstranten und den Aktivisten im Hambacher Forst gebe es nur geringe personelle Überschneidungen.

Der NRW-Verfassungsschutz geht nach Angaben des Innenministeriums von rund 1000 gewaltbereiten Linksextremisten in NRW aus. Das Gewaltpotential der Szene sei in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Das habe sich eben auch an den gewalttätigen Übergriffen auf die Polizei und an gezielten Sabotageakten bei den Protesten um den Hambacher Forst gezeigt. "Das von friedlichen Aktivisten getragene Thema Klimaschutz wurde von gewaltbereiten Linksextremisten gekidnappt und als Vorwand für Gewalt missbraucht", sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Auch wenn die Täter in Hamburg andere als im Hambacher Forst seien, glichen sich die Aktionsformen zum Teil. Als Beispiel nennt das NRW-Innenministerium die sogenannte "Fingertechnik", mit der Polizeiketten planvoll koordiniert in verschiedene Richtungen durchbrochen würden. Auch bei der Mobilisierung der Aktivisten im Vorfeld gebe es Parallelen. So werden die Aktionen als "ziviler Ungehorsam" propagiert und verharmlost.

Infolge der Ausschreitungen von Hamburg schloss sich eine Debatte an, ob der Staat und Behörden, möglicherweise zu lax mit dem Problem des Linksextremismus umgehen. Auch Politiker von CDU und FDP in NRW hatten mehrfach entsprechende Vorwürfe erhoben. Die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW wird deshalb kaum anders können, als mögliche Gewaltexzesse im aktuellen Linken-Hot-Spot Hambacher Forst im Keim zu ersticken.

(qua)
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