Staat will Trojaner jetzt selbst entwickeln

Berlin/düsseldorf (hüw/may-) Die Innenminister von Bund und Ländern wollen Konsequenzen aus dem Wirbel um eine aufgedeckte Späh-Software ("Staatstrojaner") ziehen. In einer Telefonkonferenz vereinbarten sie, derartige Trojaner künftig selbst zu entwickeln. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will dazu beim Bundeskriminalamt (BKA) ein Kompetenzzentrum einrichten.

Innenminister Ralf Jäger (SPD) bekräftigte im Düsseldorfer Landtag, dass die Behörden in NRW keine Durchsuchung von Festplatten vorgenommen hätten. Lediglich in drei Fällen sei mit richterlicher Anordnung Späh-Software zur Telekommunikationsüberwachung an der Quelle ("Quellen-TKÜ") eingesetzt worden. Dabei handelt es sich um das Abhören von Internet-Telefonaten. Laut Jäger haben die Innenminister vereinbart, jetzt nur noch geprüfte ("zertifizierte") Späh-Software einzusetzen.

BKA-Chef Jörg Ziercke verteidigte den Einsatz des Staatstrojaners zur Überwachung von Internetkommunikation. Vor dem Bundestags-Innenausschuss wies er Vorwürfe zurück, das BKA habe Verfassungsbruch begangen: In der verwendeten Software sei "zu keinem Zeitpunkt eine rechtswidrige Hintertür zum Aufspielen von Ausspähprogrammen eingebaut". Er sprach von 23 Fällen, in denen das BKA seit 2007 Trojaner eingesetzt habe. Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar hält die politische Klasse für "ein Stück überfordert" mit der Komplexität der neuen Technologie. Er warf der Bundesregierung vor, sie weigere sich, die sogenannte E-Privacy-Richtlinie der EU umzusetzen. Sie soll die Sicherheit der Internetnutzer stärken.

Der Vorsitzende der Jungliberalen, Lasse Becker, sagte unserer Zeitung: "Die Vorstellung, dass Beamte und Angestellte nun als Computerhacker aktiv werden, ist doch ziemlich irritierend." Staatsanwaltschaften klagten über Rückstaus, weil es nicht genügend IT-Spezialisten gebe, um beschlagnahmte Computer zu durchsuchen. "Da stellt sich doch die Frage, ob es nicht besser wäre, mehr Experten für diese rechtsstaatlich saubere Angelegenheit einzustellen, statt sie in Richtung heimlicher Online-Durchsuchungen auf den Weg zu bringen", sagte Becker.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort