Wien Staatskrise in Österreich

Wien · Kaum im Amt, steckt die Regierung von Sebastian Kurz und HC Strache in einem veritablen Sicherheitsskandal.

Kaum im Amt, steckt die Regierung von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache in einem veritablen Sicherheitsskandal.

Es war der Morgen des 28. Februars, als eine 60 Mann starke Polizeieinheit in Begleitung von IT-Spezialisten das Bundesamt für Verfassungsschutz, Extremismus- und Terrorbekämpfung (BTV) stürmte. Angeordnet war der martialische Einsatz von der Zentralen Staatsanwaltschaft worden, Abteilung Korruptionsbekämpfung, um Datenträger sicherzustellen. Vornehmlich zielte die Aktion auf BTV-Chef Peter Gridling und weiterer Beamter, die des Datenmissbrauchs verdächtigt wurden. Zur gleichen Zeit wurden auch Privatwohnungen der Verdächtigten durchsucht. Innenminister Herbert Kickl von der FPÖ suspendierte Gridling und seine Mitarbeiter umgehend vom Dienst. Seither rätselt das ganze Land über die mysteriösen Hintergründe dieser "Staatsaffäre" (Wochenmagazin "Profil"), die operettenhafter Züge nicht entbehrt.

Beispielsweise, warum ein bewaffneter Polizeitrupp in voller Rüstung ausgerechnet die oberste Verfassungsschutzbehörde stürmt, die ja die Sicherheit des Landes gewährleisten soll. Warum, so Ex-Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern, wurden diese Daten nicht intern und geräuschlos sichergestellt, wie dies üblich sei? Beobachter und Opposition werfen Kickl vor, die Beamten möglichst effektvoll einschüchtern und Widerstand gegen seine Führung zerschlagen zu wollen.

Für den Verdacht auf Datenmissbrauch gibt es zwar Hinweise - angeblich wurden zu löschende Daten nicht gelöscht - doch eignet sich der Vorwurf auch als Vorwand, um den Verfassungsschutz parteipolitisch "umzufärben", also dessen Schlüsselpositionen mit FPÖ-Getreuen zu besetzen. Gridling und weitere Spitzenbeamte, die bislang als unbescholten galten, werden der konservativen ÖVP von Kanzler Sebastian Kurz zugerechnet. Hier tobe im Innenministerium ein "schwarz-blauer Bruderkrieg", vermutet Matthias Strolz, Chef der wirtschaftsliberalen Partei Neos. Kurz schweigt dazu beredt, aus Angst um die vielbeschworene Koalitionsharmonie.

Eigenartig mutet auch an, dass mit dem martialischen Einsatz im BVT nicht die dafür zuständige Sonderpolizei Cobra beauftragt worden ist, sondern die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS). Innenminister Kickl traute der Cobra-Führung offensichtlich nicht, und EGS-Chef Wolfgang Preiszler ist ein treuer FPÖ-Mann.

Preiszler rückt währenddessen immer stärker in den Fokus der Medien. Denn der Mann ist auf vielen rechtsextremen Internetportalen unterwegs: So teilte er Beiträge von staatsfeindlichen "Reichsbürgern" und User-Kommentare, in denen Flüchtlinge als Invasoren beschimpft werden. Auch auf seiner eigenen Facebook-Seite fanden sich rassistische Karikaturen.

Es ist grotesk: Ein anscheinend bekennender Rechtsextremist befehligt einen Polizeieinsatz just gegen jene Behörde, die den Rechtsextremismus bekämpft. Aufgrund der Medienberichte wird Preiszler jetzt in der zuständigen Wiener Polizei einer "dienstrechtlichen Überprüfung" unterzogen. Innenminister Kickl, ein begnadeter Polemiker, schiebt jede Verantwortung auf die Staatsanwaltschaft, die den Polizeieinsatz im BVT überwachte: "Ich bin der falsche Ansprechpartner", sagte er im Parlament, als wäre das BVT nicht in seinem Ministerium angesiedelt.

Die Opposition wirft Kickl vor, eigentliches Ziel des umstrittenen Polizeieinsatzes sei gewesen, Daten des Verfassungsschutzes über Verbindungen zwischen rechtsextremen Kreisen und der FPÖ beiseite zu schaffen. Dafür gibt es tatsächlich einen gravierenden Anhaltspunkt: EGS-Polizisten ließen auch Datenträger der Extremismusabteilung des Verfassungsschutzes mitgehen, die mit dem geschilderten Fall des Datenmissbrauchs nichts zu tun haben. Doch deren Leiterin hat für die FPÖ heikles Datenmaterial gesammelt. Hinterher meinten Regierungspolitiker beider Parteien, dies sei unbeabsichtigt geschehen. Doch bislang gibt es keinerlei Übersicht über Menge und Inhalt des beschlagnahmten Datenmaterials. Es befinde sich in Obhut der Staatsanwaltschaft, soKickl.

Doch wie glaubwürdig ist ein Sicherheitsminister, der einen bekennenden Rechtsextremisten zu seinem Kommunikationschef macht? Es ist der Ex-Chef der FPÖ-nahen Internetzeitung "unzensuriert.at", die seit Jahren wegen extremistischer und rassistischer Inhalte vom Verfassungsschutz überwacht wird. Und Kickl selbst trat im Vorjahr in Linz auf einem Kongress der rechtsextremen "Verteidiger Europas" als Gastredner auf. Die noch sehr junge Regierung Kurz ist mit dieser Affäre drauf und dran, international das Vertrauen in die Sicherheitspolitik Österreichs zu verspielen.

(RP)
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