Eine öffentliche Debatte findet nicht statt Steinbrücks konturloses Schattenkabinett

Berlin · Es sollte eine schlagkräftige Truppe zur Unterstützung des SPD-Kanzlerkandidaten sein. Doch das Kompetenzteam der Sozialdemokraten bleibt im Vorwahlkampf blass. Dabei bietet die Regierung reichlich Angriffsfläche.

Sie bemühen sich. Das muss man den Mitgliedern des Kompetenzteams von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück lassen. Fast täglich versendet die SPD-Pressestelle Botschaften der Mitglieder des zwölfköpfigen sogenannten Kompetenzteams. Mal beklagt sich Klaus Wiesehügel über den Missbrauch von Werkverträgen, mal fordert die Bildungsbeauftragte Yasemin Karakasoglu neue Programme gegen Rechtsextremismus. Dann warnt Oliver Scheytt vor einem Ausverkauf von Kunst und Kultur.

Indes: Eine öffentliche Debatte findet nicht statt. Die Forderungen versanden, zu Pressekonferenzen verirren sich nur vereinzelt Journalisten. Zu angepasst, zu erwartbar sind die Auftritte und Aussagen. Zündende Kampagnen und Ideen? Mangelware. Einmal abgesehen von Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, der als Innenexperte und heimlicher Generalsekretär die Bundesregierung in der NSA-Ausspähaffäre wirksam piesackt, und dem notorisch wuseligen Matthias Machnig schaffen es die Kompetenzteam-Mitglieder kaum, Eindruck zu hinterlassen.

Mit Kompetenzteams hat die SPD ohnehin keine guten Erfahrungen gemacht. Nachdem der damalige Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier 2009 mit einem 19-köpfigen Schattenkabinett, darunter sozialdemokratischen Bekanntheiten wie Karin Evers-Meyer für die Belange der Behinderten und Dagmar Freitag für Sport, im Bundestagswahlkampf viel Kritik einstecken musste und am Ende das für die Partei so traumatische Ergebnis von 23 Prozent einfuhr, wollte man es diesmal anders machen. Klein, kompetent, kernig sollte die Truppe sein. Und es war gerade Peer Steinbrück, der sich immer wieder dafür eingesetzt hatte, bei der Auswahl Fachwissen und Expertise dem Parteibuch und dem Proporz vorzuziehen.

Davon ist wenig geblieben. Steinbrücks Mannschaft bedient Flügel, Regionen und Befindlichkeiten der Partei. Auch deshalb ist der öffentliche Effekt verpufft.

Der Alt-Gewerkschafter Klaus Wiesehügel wurde zur Überraschung vieler für Arbeit und Soziales geholt, taucht in den Medien aber vor allem auf, weil sich seine eigene Organisation von ihm distanziert. Die zunächst erfrischend wirkende Internet-Expertin Gesche Joost bleibt gerade in dem bislang wohl größten Datenskandal erstaunlich blass. Der sonst so beredte Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schafft es nicht, eine Debatte über das Für und Wider einer Bürgerversicherung zu führen. Viele Termine der Kandidaten finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dass Florian Pronold, der Chef der Bayern-SPD, in Steinbrücks Team für Verkehr und Infrastruktur sprechen darf, ist nach Ansicht nahezu jedes führenden Sozialdemokraten, den man dazu befragt, ausschließlich dem nahenden Bayern-Wahlkampf zu verdanken. Er absolviert zwar viele Termine. Doch die große Bühne bleibt ihm nicht. Zuletzt besuchte er die Kleingartenanlage "Bachespe" im Berliner Stadtteil Köpenick.

Oder Christiane Krajewski, zuständig für Wirtschaftspolitik. Neulich stellte sie vor immerhin 20 Journalisten ihre Pläne vor, sprach von einem "Markt mit Leitplanken" und einer "Ökonomie der Gerechtigkeit". Das klang gut. Doch auf die Frage, was sie konkret nach dem 22. September machen würde, fiel ihr nichts ein. Ihr großes Problem: Zum alles dominierenden Thema, der Euro-Krise, darf sie nicht sprechen. Das behält sich der Kanzlerkandidat und Ex-Finanzminister Steinbrück selbst vor. "Karrierefördernd ist es, wenn man nicht im Team ist", fasst ein Mitglied des SPD-Bundesvorstands die Lage spöttelnd zusammen.

Gestern luden Yasemin Karakasoglu und Thomas Oppermann in Berlin zu einer Pressekonferenz ein und versprachen im Fall eines Wahlsieges ein großes Programm gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Doch die Resonanz blieb einmal mehr blass.

Generalsekretärin Andrea Nahles und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier werden dies wohl geahnt haben, als sie frühzeitig signalisierten, nicht Teil des Teams werden zu wollen. Ihr Amt und ihre Stellung in der Partei reichten, um bei einem möglichen rot-grünen Wahlsieg ein Ministeramt zu bekommen. Egal, wer im Team eigentlich für den Posten vorgesehen war.

(brö / rl)
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