Berlin Steinmeier: "Geben Sie Deniz Yücel frei"

Berlin · In seiner Antrittsrede zeigt der neue Bundespräsident Streitlust für die Demokratie und mischt sich in den Konflikt mit der Türkei ein.

Mit einer Fabel hat der neue Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Rede zu seiner Vereidigung sein Amtsverständnis umschrieben. Gehört hatte er die Geschichte einst als Außenminister vom damaligen israelischen Präsidenten Schimon Peres. Die Zukunft sei wie der Kampf zweier Wölfe, erzählte Steinmeier. "Der eine ist das Böse, ist Gewalt, Furcht und Unterdrückung." Der andere sei das Gute - Frieden, Hoffnung und Gerechtigkeit. Wer in Zukunft gewinnt? Der Wolf, "den du fütterst".

Steinmeier machte in seiner Rede deutlich, dass er als Bundespräsident Partei für die ergreifen will, die den guten Wolf füttern. Die Zukunft sei kein Schicksal, dem Gesellschaften ausgeliefert seien, folgerte Steinmeier: "Vor allem will ich, dass wir in Deutschland festhalten am Unterschied von Fakt und Lüge." Wer das aufgebe, der rüttele am Grundgerüst der Demokratie.

Neben der Botschaft, dass er wie sein Vorgänger Joachim Gauck ein Streiter für die Demokratie sein will, verdeutlichte Steinmeier auch, dass er seine Rolle durchaus auch in der Einmischung ins politische Tagesgeschäft sehe. Er rief den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan dazu auf, die Erfolge seines Landes nicht aufs Spiel zu setzen. "Präsident Erdogan, Sie gefährden all das, was Sie mit anderen aufgebaut haben", sagte Steinmeier. "Beenden Sie die unsäglichen Nazi-Vergleiche", so der neue Bundespräsident gleich zu Beginn seiner Rede.

Wer bei Steinmeier als Außenminister stets den Eindruck hatte, dass er seine Botschaften diplomatisch verklausuliert, erlebte den Präsidenten Steinmeier ganz anders. "Respektieren Sie den Rechtsstaat und die Freiheit von Medien und Journalisten", sagte er. Mit Blick auf den in der Türkei inhaftierten deutsch-türkischen "Welt"-Reporter fügte er hinzu: "Und geben Sie Deniz Yücel frei."

Wer Sorge hatte, dass Steinmeier zwar ein guter Präsident werde, rhetorisch seinem Vorgänger aber nachstehe, wurde gestern eines Besseren belehrt. So klar und stark war er sonst nicht zu hören. Mut sei das Lebenselixier der Demokratie, befand Steinmeier. Die Angst hingegen sei der Antrieb für Autokratie und Diktatur. Mit solchen Wendungen verdeutlichte er auch, dass er Gaucks Linie, der sich immer als Mutmacher verstand, fortsetzen will.

Gauck selbst verabschiedete sich mit einem variantenreichen Hinweis darauf, wie gut es Deutschland geht und wie stark das Land dasteht. Er sprach auch noch einmal das Thema an, was neben der Freiheit seine Amtszeit rückblickend geprägt hat: die neue Verantwortung Deutschlands in der Welt. "Wir können die sein, die sich mehr Verantwortung zutrauen - in Deutschland, in Europa und in der Welt", sagte der frühere Bundespräsident.

(qua)
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