Jerusalem Steinmeier warnt Israel vor Sprechverboten

Jerusalem · Bei seinem Besuch in Jerusalem stellt sich der Bundespräsident hinter Außenminister Gabriel.

Frank-Walter Steinmeier steht am Grab des israelischen Staatsmannes Shimon Peres. Juden legen Steine auf ihre Gräber - keine Blumen, weil ins Haus der Toten nichts Lebendiges gelangen soll. Der Besuch der Gräber von Peres und des früheren Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin sind ein Moment des Innehaltens. Es wirkt auch wie ein Innehalten in den deutsch-israelischen Beziehungen, die in schweres Fahrwasser geraten sind.

Vor zwei Wochen hatte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu einen Termin mit Außenminister Sigmar Gabriel abgesagt. Dieser hatte Vertreter zweier Organisationen getroffen, die als kritisch gelten. Steinmeier kommt mit zwei Botschaften nach Israel: der unverbrüchlichen Freundschaft zu Israel und der klaren Forderung Deutschlands an Israel, sich der Kritik an ihrer Siedlungspolitik zu stellen. Mehrfach wirbt er öffentlich für die Zwei-Staaten-Lösung.

In der Gedenkstätte Yad Vashem schreibt Steinmeier ins Gästebuch: "In Verantwortung für das, was geschehen ist, stehen wir fest an der Seite Israels und arbeiten für eine gemeinsame Zukunft." Gegenüber Staatspräsident Reuven Rivlin betont er die Stabilität der Beziehungen. Rivlin geht nur indirekt auf den Streit ein, nennt Israel eine "lebendige Demokratie", in der es auch Äußerungen gebe, die "schwer verdaulich und empörend" seien.

Entgegen der Planung tritt er auch mit Netanjahu vor die Presse, was im Verhältnis Staatsoberhaupt zu Regierungschef ungewöhnlich ist. Dieser Auftritt ist bei allen klaren Worten, die Steinmeier für eine kritikfähige Demokratie findet, ein Entgegenkommen an Netanjahu, der Gabriel das Treffen verweigert hatte.

An der Universität in Jerusalem spricht er darüber, dass es vielleicht die einfachere Lösung gewesen wäre, die Reise abzusagen oder zu verschieben. Das wollte er aber nicht. Steinmeier mahnt, dass niemals "Sprachlosigkeit" zwischen Deutschland und Israel einkehren dürfe. "Lasst uns über die Anfechtungen von Demokratie ehrlich und ohne Sprechverbote miteinander reden", sagt er.

Wer Kritik übe, aber die Stimmen anderer respektiere, sei kein Volksverräter, "sondern eigentlich ein Volksbewahrer". Steinmeier verzichtet auf Begegnungen mit kritischen Organisationen. Stattdessen trifft er regierungskritische Intellektuelle wie die Schriftsteller David Grossmann und Amos Oz. Dienstag reist er in die Palästinenser-Gebiete, wo er auch am Grab des früheren Palästinenser-Führers Jassir Arafat einen Kranz niederlegen wird.

Israel plant derweil, Arabisch als zweite Amtssprache abzuschaffen. Das hat ein Ministerausschuss gestern beschlossen.

(qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort